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  • Marxismus-Konferenz: Treffen der modernen Marxisten in China
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/marxismus-konferenz-marx-reloaded-treffen-der-modernen-marxisten-in

    7.12.2023 von Holger Friedrich - Alexey Vinogradov, Leiter des Instituts für Fernöstliche Studien an der Moskauer Lomonossow-Universität, ist ein Vordenker bei vielen außenpolitischen Diskursen mit maßgeblichen Politikern östlich der Elbe. Er ist des Englischen genauso fließend mächtig wie des Chinesischen, ein Wissenschaftler, unverdächtig des Populismus.

    Für die nächste Ausgabe der unter seiner Leitung herausgegebenen außenpolitischen Fachzeitschrift Far Eastern Affairs hat er ein grundsätzliches Thema gefunden: „Marxismus 2.0“. Was er damit meint, erläuterte er in einer Pause auf der 13. Konferenz des Welt-Sozialisten-Forums. Der Tagungsort: Peking. Zeitpunk: eine Woche vor den EU-Konsultationen unter der Leitung der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Chinas Staatschef Xi Jinping.

    Es ging um die „Globalisierung 2.0“

    Die chinesische Administration hatte zu dieser außergewöhnlichen Konferenz geladen. Das Vorhaben bestand darin, über Stand und Ausblick sozialistischer Konzepte zu diskutieren. Veranstaltet und organisiert wurde die Tagung vom Institut für Marxistische Studien, dem Thinktank der Kommunistischen Partei Chinas. Vom 28. bis 30. November fanden sich in Peking 80 Vertreter aus 34 Ländern ein. Die größten Gruppen stellten mit jeweils sechs Teilnehmern Argentinien und Russland. Die USA, Italien und die Türkei waren mit jeweils vier Teilnehmern die zweitgrößte Gruppe. Vertreter aus Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Spanien sowie weitere 50 Teilnehmer aus den BRICS-Staaten Afrikas, Asiens und Südamerikas waren ebenso gekommen.

    Die chinesische Seite war mit beachtlichen 120 Teilnehmern vertreten, darunter führende chinesische Soziologen und Gesellschaftswissenschaftler. Drei Tage lang wurden innenpolitische und außenpolitische Perspektiven ausgetauscht. Vorträge im klassischen Stil kommunistischer Organisationen und offene Debatten prägten das Bild. Hervorzuheben sind Vertreter wie Wang Wen, Professor an der Renmin University of China und Dean des Chongyang Institute for Financial Studies oder Wang Zhongbai, ordentlicher Professor sowie Managing Editor des World Review of Political Economy, ebenso führende Vertreter der Parteiorganisationen aus dem administrativen Apparat wie Xin Xiangyang, Dean of Academy of Marxism, CASS. Die Teilnahme von Vertretern des Zentralkomitees stellte eine deutliche Aufwertung der Veranstaltung im Vergleich zu den Vorjahren dar.

    Übergeordnet ging es um einen ergebnisoffenen Austausch unterschiedlicher Perspektiven zur Entwicklung der weltweiten Zusammenarbeit, um die „Globalisierung 2.0“.

    Erste und zweite Welle der Globalisierung

    Die erste Welle, die „Globalisierung 1.0“, war – so der einhellige Konsens bei den Teilnehmern – durch frei fließendes Kapital des Westens stimuliert. Um Profite zu maximieren, verfolgte der Westen das Ziel, möglichst kostengünstig Produktionen zu verlagern. So entstanden in ärmeren Ländern partiell moderne Infrastrukturen sowie Arbeitsplätze. Die Profite wanderten jedoch nicht in die lokalen Sozialsicherungssysteme, sondern in die Bilanzen der westlichen Unternehmen und kamen den reicheren Bevölkerungsschichten des Westens zugute.

    Gleichzeitig geriet die ärmere Bevölkerung in diesen Ländern durch dieses weltweite Lohn-Dumping stärker unter Druck, was sich unübersehbar in den Zahlen im Wachstum des Niedriglohnsektors sowie dem stagnierenden Reallohn-Wachstum erkennen ließ. Die Teilnehmer der Konferenz in Peking beobachten als politischen Fallout einen politischen Rechtsruck in Ländern wie den Niederlanden, Italien oder in Deutschland. Auch die als instabil eingeschätzte Situation in den USA mit der anstehenden Wahl 2024 wird als Folge dieser ersten Welle der Globalisierung gesehen.

    Die „Globalisierung 2.0“ würde sich dagegen durch eine administrativ gestaltete, ausgleichende Entwicklung auszeichnen, die auf drei Prinzipien beruhe: Der wirtschaftlichen Entwicklung zu wechselseitigem Nutzen, der Gewährleistung von Sicherheit, weswegen die Missionen strikt friedlich organsiert würden; sowie der Unterstützung lokaler Zivilisationen, was den Verzicht auf hegemonialen Anspruch bei Kulturen oder Gesellschaften bedeute, beispielsweise in Form des vom Westen immer wieder praktizierten Versuchs des „Demokratieexports“.
    Die wirtschaftliche Basis Deutschlands erodiert

    In mehreren Redebeiträgen spielte außerdem das erkennbare Bemühen eine große Rolle, sich von westlichen Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Belgien, Frankreich oder den USA im Zuge der De-Kolonialisierung zu emanzipieren. Protagonisten dieser Debatte waren die Vertreter Kenias, Argentiniens und Spaniens. Die US-Vertreterin Rossana Cambron, Co-Chefin der Kommunistischen Partei der USA, thematisierte Rassismus-Erfahrungen.

    Für einen europäischen, zumal deutschen Beobachter interessant war die aufkeimende Diskussion über die „moralische Kontamination“ – ein in China eingeführter Begriff für die Unglaubwürdigkeit westlicher Positionen und deren politischer sowie medialer Elitenvertreter.

    Im Vortrag von Wang Wen wurde respektvoll (doch in der Sache für asiatische Verhältnisse deutlich) darauf hingewiesen, dass Unverständnis herrsche über die geringe Komplexität deutscher Argumentationen, wie sie im Auswärtigen Amt artikuliert würden. Die grüne politische Kraft in Deutschland wäre aus der Friedens- und Umweltpolitik erwachsen. Heute sei diese Partei maßgeblich dafür verantwortlich, dass Deutschland nach den USA über die größten externen Militärausgaben verfüge und dass sich die deutsche Umweltbilanz durch stärkere Kohleverstromung, LNG-Importe sowie durch übermäßige Regulation drastisch verschlechtere und weiterhin verschlechtern werde. Zudem erodiere die wirtschaftliche Basis Deutschlands.

    Die grüne Revolution findet nicht in Deutschland statt

    Nachdem China vor wenigen Wochen mitgeteilt hat, sechs Jahre früher als international zugesagt den Co2-Peak-Point zu erreichen und ab 2024 schrittweise frei von fossilen Trägern zu sein, stellte Wang Wen die Frage, was die grüne politische Kraft in Deutschland der Welt außer schlechten Ergebnissen für die deutsche Bevölkerung eigentlich mitzuteilen hätte.

    Dass diese Äußerungen nicht als Propaganda abzutun sind, kann auf Chinas Straßen beobachtet werden. Der Großteil neuer Fahrzeuge wird elektrisch betrieben. Deutsche Hersteller, bisher Marktführer in China und ihre Profitabilität für den deutschen Steuerhaushalt weitgehend in China begründend, fristen auf Chinas Straßen bei elektrischen Modellen nur noch ein Nischendasein. Sofern die wenigen deutschen E-Autos verkauft werden, gelingt dies oft nur mit massiven Rabatten. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Angebote scheint nicht mehr gegeben zu sein.

    Gleiches gilt für den chinesischen Markterfolg von Technologien für regenerative Energien. Die oftmals von den Grünen in Deutschland beschworene grüne industrielle Revolution findet statt – nur eben in und aus China heraus.

    Westliche Vorwürfe gegenüber China

    Die „moralische Kontamination“ wird aus Sicht Chinas und des globalen Südens unter anderem an zivilen Kriegstoten gemessen, sowie an der Vielzahl lokaler kriegerischer Konflikte als auch am massiven Einsatz von Sanktionen, welche im Widerspruch zur Idee des freien Handels als Grundkonstrukt freier Gesellschaften stehen.

    Auch die durch den Vorwurf von Menschenrechtsverstößen belastete Kontroverse zur uigurischen Minderheit fand Eingang in den Diskurs. So wurde dargelegt, wie der deutsche Aktivist Adrian Zenz von westlichen Institutionen aufgebaut wurde, um das Uiguren-Thema weltweit in einer Diskreditierungsmechanik zu positionieren.

    Die chinesische Seite erklärte die Ereignisse anders als der Westen und verwies darauf, wie islamischer Fundamentalismus schrittweise eingehegt und die innerchinesische Terrorwelle vor vielen Jahren gestoppt worden sei. Auch hier wurden Vergleiche zum Vorgehen der USA (mit Beteiligung der Bundeswehr) in Afghanistan, Irak, Libyen sowie die aktuelle Entwicklung in Gaza herangezogen und offen im Plenum gefragt, was im Kern durch die westlichen Vorwürfe an China erreicht werden solle.
    Politisches Versagen

    Die aus chinesischer Sicht rein westlichen Referenzpunkte für einen Krieg gegen den Terror – die Anschläge in Paris, Madrid und London, 09/11 in New York und die eskalierten Kriege in Afghanistan oder im Irak mit unzähligen Ziviltoten sowie nachgewiesenen, aber nie international gesühnten Kriegsverbrechen – würden als moralischer Kompass kaum taugen.

    Auch das als eskalativ beschriebene Vorgehen Israels in Gaza wurde als politisch ineffektiv im Kampf gegen islamistischen Fundamentalismus bezeichnet; zumal sich zeige, dass die Geiselbefreiung in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit den kriegerischen Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung stünde. Die steigende Wahrscheinlichkeit, dass diese eskalative Gewalterfahrung der israelischen wie der palästinensischen Zivilbevölkerung in nächsten Generationen fortgeschrieben werde, müsse gleichermaßen als politisches Versagen eingeordnet werden.

    Der Westen müsste konstruktive Schlüsse ziehen

    Dies zeigte sich in einer Randdiskussion über „West-Asien“, wie die Region des Nahen Ostens in China bezeichnet wird. Auch die Entwicklungen in Osteuropa werden unter diesem Gesichtspunkt beurteilt: „A war is a fault“, dies scheint gegenwärtig das Credo der Kommunistischen Parteien in allen Ländern zu sein. Die aktuelle Situation in der Ukraine wie auch in Israel sahen die Vortragenden als ein Versagen westlicher Außenpolitik: Man sei nicht in der Lage gewesen, die seit langem bekannten Gegensätze der Konfliktparteien auszubalancieren.

    Folgerichtig seien die Konflikte in der Ukraine sowie in Israel eskaliert und drohten nun, sich auf lange Zeit zu verfestigen. Die Vortragenden interpretieren es als große Schwäche der russischen, der US- und der israelischen Administration, sich in diese Situationen manövriert zu haben.

    Dem interessierten Beobachter drängte sich der Eindruck auf, dass die chinesischen Vertreter die innere Mechanik westlicher Hegemonialpolitik seit Richard Nixon und Henry Kissinger verstanden haben und nun schon seit längerem darauf warten, dass der Westen eigene und konstruktivere Schlüsse zieht.

    Die Suche nach einem Ausweg

    Auf Nachfrage wurden die Diskussionen des Westens über „De-Risking“ und „De-Coupling“ als Angst vor fairem wirtschaftlichem Wettbewerb eingeordnet. Hier wurde auf die fachlich nach wie vor nicht belegten Vorwürfe gegen den Telekommunikationskonzern Huawei hingewiesen, dessen Produktangebot schon länger europäischen Anbietern wie Ericsson oder Nokia überlegen sei und der sich anschicke, US-Marktführer wie Cisco oder den bisher erfolgreichen südkoreanischen Anbieter Samsung zu attackieren.

    Das wechselseitige Misstrauen zwischen der US- und der chinesischen Administration ist nach den flächendeckenden Abschaltungen von US-Netzwerktechnologien in Russland und ehemaligen CIS-Staaten in Zentralasien in den Tagen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine weiter gestiegen. Die Suche nach einem Ausweg aus diesem nicht nur technologischen Dilemma hat gerade erst begonnen, da eine vollständige Entkopplung in der weltweiten Kommunikation unrealistisch zu sein scheint.

    Ein Versionsupdate des „Marxismus 2.0“

    Einig waren sich die Teilnehmer, dass der Kuchenanteil am Welthandel für die G7 zwangsläufig kleiner wird – begründet wird dies mit demografischen Faktoren, mit einer gerechteren Verteilung von Wohlstand und mangelnder Leistungsbereitschaft des Westens im nunmehr dynamischeren globalen Wettbewerb.

    Den politisch restriktiven Reaktionsmustern des Westens würde man abseits der militärischen Absicherung in drei zivilen Segmenten entgegengetreten: dem Aufbau sanktionsunabhängiger kritischer Infrastruktur mit eigenständiger Chip-Industrie, Netz- und Cloud-Infrastruktur; im Zahlungsverkehr mit eigenständigen grenzüberschreitenden Zahlungssystemen; sowie mit unabhängigen Logistikstrecken, die in der mittlerweile etablierten Belt-and-Road-Initiative gebündelt werden.

    Als politisches Ziel, so ist aus der Konferenz der Sozialisten zu schlussfolgern, verfolgt eine sich entwickelnde „Globalisierung 2.0“ den wechselseitigen nationalen Interessenausgleich in einer multipolaren Weltordnung. Dahinter schimmerte in den Beiträgen der Redner das Zielbild einer klassenlosen Gesellschaft mit globaler Perspektive. Ein Zielbild, welches 1848 in einem programmatischen Text der Deutschen Karl Marx und Friedrich Engels umrissen wurde, dem Kommunistischen Manifest, das mit den Worten begann: „Ein Gespenst geht um in Europa …“.

    Auf die Ausführungen des Moskauer Wissenschaftlers Alexey Vinogradov in Peking zurückkommend: Ein Versionsupdate des „Marxismus 2.0“ könnte demnächst verfügbar sein.

    Holger Friedrich ist Verleger der Berliner Zeitung. Er war als Referent auf dem Kongress anwesend.