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  • 1848/49: Organ der Revolution
    https://www.jungewelt.de/artikel/475629.1848-49-organ-der-revolution.html


    Marx und Engels in der Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung (Gemälde von E. Capiro, 1895)

    18.5.2024 von Gerhard Feldbauer - Die Neue Rheinische Zeitung markiert den Beginn der proletarischen Presse. Vor 175 Jahren erschien ihre letzte Ausgabe

    Kurz nach den Volksaufständen in Wien und Berlin wurden Ende März 1848 in Paris in einem Flugblatt thesenartig die »Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland« verbreitet. Es war der Beginn der Agitation des von Karl Marx und Friedrich Engels gebildeten Bundes der Kommunisten, der aus dem von dem utopischen Sozialisten Wilhelm Weitling gegründeten »Bund der Gerechten« hervorgegangen war.

    Von Paris aus war es jedoch schwierig, aktiv auf die Revolution in Deutschland einzuwirken. Deshalb begaben sich Marx und Engels wenig später nach Köln, dem Zentrum der rheinischen Industrie, um dort die Gründung eines Mediums, der Neuen Rheinischen Zeitung (NRZ), vorzubereiten. Geleitet von Marx als Chefredakteur erschien sie ab dem 1. Juni 1848 als »Organ der Demokratie« und als einziges in Deutschland erscheinendes Blatt, das eine konsequent revolutionär-demokratische Position bezog. Mit der NRZ entstand ein zur Organisierung des Proletariats und seiner revolutionären Partei sowie der Orientierung der demokratischen Kräfte in der Revolution dringend erforderliches Publikationsorgan. Mit ihm schlug die Geburtsstunde der proletarischen Presse.
    Die richtigen Schlüsse

    Die NRZ publizierte die von Marx und Engels erarbeiteten philosophischen Grundlagen des wissenschaftlichen Kommunismus, Leitsätze über die Rolle des Proletariats und seiner Diktatur und Prinzipien der Taktik des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse in der Revolution. Als historische Hauptaufgabe stellten Marx und Engels die Beseitigung der ökonomischen und politischen Zersplitterung durch die Schaffung einer einigen unteilbaren demokratischen Republik, um den Weg für eine fortschrittliche Entwicklung in Deutschland frei zu machen. Das schloss ein, die Feudalordnung zu beseitigen. Sie legten ein konkretes Programm der bürgerlich-demokratischen Revolution vor, in deren siegreichen Verlauf sie den Prolog zu einer folgenden proletarischen sahen. Dabei entwickelten sie, wie Lenin später hervorhob, bereits den Begriff der revolutionär-demokratischen Diktatur.

    Eingehend analysierten Marx und Engels die revolutionären Kämpfe in Frankreich, Österreich, Ungarn, Italien, Polen, und Böhmen. So untersuchten sie die Ursachen der Niederlage des revolutionären Wien am 1. November und des Staatsstreichs der preußischen Reaktion. Im Pariser Juniaufstand sahen sie »eine Revolution des Proletariats gegen die Bourgeoisie, einen Kampf der Arbeit gegen das Kapital, eine selbständige Aktion des Proletariats zur Verteidigung seiner Klasseninteressen«. Marx und Engels riefen die revolutionären Kräfte auf, daraus die richtigen Lehren zu ziehen und sie furchtlos bei den noch bevorstehenden Kämpfen anzuwenden. Engels befasste sich mit Fragen des bewaffneten revolutionären Kampfes in Italien und Ungarn. Zum Juniaufstand in Paris zog er wichtige Schlussfolgerungen über die Bedeutung des Straßen- und Barrikadenkampfes und legte damit Fundamente für die marxistische Lehre für den bewaffneten Aufstand. Bezüglich Ungarns analysierte er den Volkscharakter des Krieges und die entschlossenen revolutionären Methoden der Regierung Lajos Kossuth. Seine unter Pseudonym geschriebenen Beiträge brachten ihm die Anerkennung von Fachmilitärs ersten Ranges ein, die keine Ahnung hatten, dass der Schreiber ein plebejischer Fabrikantensohn aus Barmen war. Sie wurden einem hohen Militär der ungarischen Armee zugeschrieben.

    Mit den führenden Mitgliedern des Bundes der Kommunisten auf dem äußersten linken Flügel der Revolution stehend, traten Marx und Engels für ein enges Bündnis mit den Demokraten ein und kritisierten gleichzeitig die Fehler und Illusionen der kleinbürgerlich-demokratischen Führer. Scharfe Kritik übten sie am Zurückweichen der Frankfurter Nationalversammlung vor der preußischen Reaktion. Als im Frühjahr 1849 in der Rheinprovinz und anderen Gebieten Westdeutschlands Volksaufstände zur Verteidigung der Reichsverfassung ausbrachen, unterstützten sie diese Bewegung trotz der begrenzten Ziele und Möglichkeiten. Engels nahm am Aufstand in Elberfeld teil und begab sich danach zur Badisch-Pfälzischen Revolutionsarmee, wo er als Adjutant und Stabschef im Freikorps von Oberst August Willich kämpfte. Marx begab sich nach Paris, um vor Ort die Analyse der revolutionären Ereignisse zu vertiefen.

    Die entscheidende Ursache dafür, dass das deutsche Volk nicht den Sieg über den Feudalismus erringen konnte, lag, wie Marx und Engels darlegten, im verräterischen Paktieren der Bourgeoisie, die aus Angst vor der sich abzeichnenden Rolle des Proletariats »nur Rettung in jedem, auch dem feigsten Kompromiss mit Monarchie und Adel« sah.
    Internationalismus

    In der NRZ zeigte sich Marx großartige Begabung als Journalist und Redakteur, sein brillanter Stil, seine glänzenden Analysen aber auch sein Talent als Chefredakteur und Organisator der Zeitung. »Es war in erster Linie sein klarer Blick und seine sichere Haltung«, hielt Engels fest, »die das Blatt zur berühmtesten deutschen Zeitung der Revolutionsjahre gemacht haben«.

    Angesichts der sich ständig verschärfenden Verfolgung durch die preußische Regierung, die Marx nach dem Scheitern der Aufstände in der Rheinprovinz des Landes verwies, musste die NRZ am 19. Mai 1849 ihr Erscheinen einstellen. In ihrer letzten Nummer, deren erste Seite in rotem Druck erschien, betonten Marx und Engels vor allem den proletarischen Internationalismus, in dem sie vom Juniaufstand der Pariser Arbeiter ausgehend schrieben, »die Seele der Junirevolution« war »die Seele unserer Zeitung«. Die Redakteure richteten eine Abschiedsbotschaft »an die Kölner Arbeiter«, in der es hieß, das »letzte Wort wird überall und immer sein: Emanzipation der arbeitenden Klasse!«

    In einem aufrüttelnden Abschied nannte Ferdinand Freiligrath die NRZ »eine stolze Rebellenleiche«; nicht »in offener Schlacht«, sondern »aus dem Hinterhalt«, durch »schleichende Niedertracht« zu Fall gebracht.
    Stolze Rebellenleiche

    Kein offener Hieb in offener Schlacht –

    Es fällen die Nücken und Tücken,

    es fällt mich die schleichende Niedertracht

    der schmutzigen West-Kalmücken!

    Aus dem Dunkel flog der tötende Schaft,

    aus dem Hinterhalt fielen die Streiche –

    Und so liege ich nun da in meiner Kraft,

    eine stolze Rebellenleiche!

    Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn,

    in der Hand den blitzenden Degen,

    noch im Sterben rufend: »Die Rebellion«! –

    So bin ich in Ehren erlegen.

    Oh, gern wohl bestreuten mein Grab mit Salz

    Der Preuße zusamt dem Zare –

    Doch es schicken die Ungarn, es schickt die Pfalz

    Drei Salven mir über die Bahre!

    Und der arme Mann im zerrißnen Gewand,

    er wirf auf mein Haupt die Schollen;

    er wirft sie hinab mit der fleißigen Hand,

    mit der harten, der schwielenvollen.

    Einen Kranz auch bringt er aus Blumen und Mai’n,

    zu ruhen auf meinen Wunden;

    den haben sein Weib und sein Töchterlein

    nach der Arbeit für mich gewunden.

    Nun ade, nun ade, du kämpfende Welt,

    nun ade, ihr ringenden Heere!

    Nun ade, du pulvergeschwärztes Feld,

    Nun ade, ihr Schwerter und Speere!

    Nun ade – doch nicht für immer ade!

    Denn sie töten den Geist nicht, ihr Brüder!

    Bald richt ich mich rasselnd in die Höh,

    bald kehr ich reisiger wieder!

    Wenn die letzte Krone wie Glas zerbricht,

    in des Kampfes Wettern und Flammen,

    wenn das Volk sein letztes »schuldig« spricht,

    dann stehn wir wieder zusammen!

    Mit dem Wort, mit dem Schwert, an der Donau, am Rhein – Eine allzeit treue Gesellin

    wird dem thronezerschmetternden Volke sein

    die Geächtete, die Rebellin!

    Ferdinand Freiligrath

    #Allemagne #presse #poésie #histoire #communisme #1848

  • 60. Geburtstag DT 64: Power von der Eastside
    https://www.jungewelt.de/artikel/475354.60-geburtstag-dt-64-power-von-der-eastside.html

    Die Protestakion fürs Taxi ...

    15.5.2024 von André Scheer -Tanzen bis zum Hungerstreik: Vor 60 Jahren nahm das Jugendradio DT 64 den Sendebetrieb auf

    Pfingsten 1964: Hunderttausende Jugendliche aus allen Teilen der DDR und einige zehntausend aus Westdeutschland kamen in Berlin zusammen und feierten das dritte – und letzte – Deutschlandtreffen der Jugend. Auf der Karl-Marx-Allee wurde getanzt, Bands spielten, Schriftsteller lasen –, und auf dem Alexanderplatz stand ein gläserner Pavillon. Das war das Jugendstudio Deutschlandtreffen, kurz DT 64. Gerhart Eisler, der Chef des staatlichen Rundfunkkomitees, gab am 15. Mai 1964, dem Vorabend des Treffens, den Startschuss und wünschte im Namen aller Mitarbeiter des Rundfunks und Fernsehens der DDR einen »herzlichen Empfang über die Ätherwellen eures Senders – DT 64!« Die Redakteure und Reporter lieferten den Soundtrack zum Festival, berichteten von den Kundgebungen und Demonstrationen, vermittelten Übernachtungsgelegenheiten.

    Ursprünglich sollte das Festivalprogramm nach 99 Stunden Geschichte sein, doch der Erfolg war so groß, dass der Ruf nach einer Fortsetzung laut wurde. Der Berliner Rundfunk machte Platz in seinem Programm, so dass das Jugendstudio DT 64 ab dem 29. Juni 1964 täglich mehrere Stunden lang auf Mittelwelle und UKW zu hören war. Am 7. März 1986 folgte dann der nächste Schritt – aus dem Jugendstudio wurde das Jugendradio mit eigener Senderkette und einem Programm von vier bis 24 Uhr. Während in den westdeutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten peinlich genau darauf geachtet wurde, dass die Moderatoren regelmäßig in die Lieder reinquatschten, um im Interesse der Schallplattenkonzerne Mitschnitte zu ruinieren, sendete DT 64 »Musik für den Rekorder« – komplette Alben, gerne von westlichen Bands, ohne Gerede dazwischen.

    Nicht jedem in den Machtzentralen der DDR gefiel, was da an Musik und Sprüchen über den Sender ging. Auf die Aneinanderreihung von Titeln wichtiger Persönlichkeiten und protokollarische Hofberichterstattung, wie sie bei Radio DDR Standard war, wurde auf DT 64 weitgehend verzichtet. Man stand treu zur Republik und zur Partei, aber formulierte das anders – lockerer, prägnanter, frecher. Und man spielte Punk und Rock, gerne laut und schräg, antifaschistisch und rebellisch. In den Protokollen diverser Gremien finden sich zwar immer wieder Beschwerden von Erich Honecker, aus dem Zentralrat der FDJ oder von anderen. An eine Abschaltung jedoch dachte niemand.

    Die kam erst, als sich der goldene Westen der Brüder und Schwestern annahm. Am 7. September 1990, wenige Wochen vor der »Wiedervereinigung«, war auf den Frequenzen des Jugendradios plötzlich der RIAS aus Westberlin zu hören. Der geschäftsführende Generalintendant des DDR-Rundfunks, Christoph Singelnstein, stotterte eine Erklärung in die Mikrofone, nach der die Journalisten des RIAS ihren Kollegen in der DDR die Hand reichten, »um beim Aufbau eines demokratischen und pluralistischen Rundfunks zu helfen«. Am besten durch Abschalten: »RIAS, dessen Programm ab sofort auf einigen Frequenzen von Jugendradio ausgestrahlt wird, baut mit Journalisten und Redakteuren von Radio DDR Arbeitsgruppen auf, die insbesondere die spezifischen Probleme der Bevölkerung auf dem Gebiet der DDR aufarbeiten.« Wäre es nach Singelnstein gegangen, wäre DT 64 nur noch ein Berliner Lokalsender mit unsicherer Zukunftsperspektive gewesen.

    jW-Shop: Marx seiner Nützlichkeit wegen

    Die Junge Welt (damals noch mit großem J) meldete den Piratenakt mit der Schlagzeile »Skandal: DT 64 von RIAS gekillt!« Eine Redakteurin des Senders wurde zitiert: »Für mich ist das Verrat an unseren Hörern.« Viele von denen sahen das auch so. Spontan demonstrierten Tausende vor allem junge Menschen für ihren Sender. In Dresden blockierten 2.000 Jugendliche die Ernst-Thälmann-Straße nahe dem Kulturpalast. Hörer versammelten sich mit Kerzen vor Sendetürmen, am Sitz von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière versammelten sich einige zu einem Hungerstreik, Hunderte belagerten die Studios in der Nalepastraße. Sie hatten Erfolg. 24 Stunden nach der Abschaltung, am 8. September 1990 um Punkt 20 Uhr war auf den vorübergehend vom RIAS gekaperten Wellen wieder der markante Jingle »Power von der Eastside« zu hören. Reporter Lutz Deckwerth meldete sich aus Dresden: »Das kann man nicht beschreiben, hier knallen die Sektkorken, und die Leute freuen sich, die Leute freuen sich einfach. Es wird angestoßen auf die Wiedergeburt von Jugendradio!« Aus dem spontanen Protest entstanden festere Strukturen, es bildeten sich Freundeskreise des Jugendradios, die sich für ihr Programm engagierten. Und das blieb nötig, denn im Einigungsvertrag zwischen BRD und DDR war festgelegt worden, dass die Programme des DDR-Rundfunks spätestens zum 31. Dezember 1991 abgeschaltet werden müssten, um Platz für neue öffentlich-rechtliche Anstalten und Kommerzkanäle zu machen. Für ein überregionales Jugendradio fehlte den Regierenden der größer gewordenen Bundesrepublik die Phantasie.

    DT 64 probte den Ernstfall. Am 13. September 1991 wurde den verdutzten Hörern mitgeteilt, dass »Teile der Belegschaft« der Abschaltung zum Jahreswechsel getrotzt hätten und nun auf der Flucht vor den Peilwagen der Post seien. Man sendete angeblich wechselnd aus Schwerin, Dresden, Berlin und Leipzig – das »vielleicht längste Hörspiel der Rundfunkgeschichte«, wie es Chefredakteur Michael Schiwack nannte. Gegen 18 Uhr endete das »illegale« Treiben abrupt. Zu hören war nur noch ein schriller Testton, dann eine amtlich klingende Stimme: »1. Januar 1992. Dieser Sender ist abgeschaltet.«

    Der anhaltende Protest sorgte für eine Gnadenfrist. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) erklärte sich bereit, DT 64 zunächst für ein halbes Jahr in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weiterfunken zu lassen. In Berlin und Brandenburg musste sich DT 64 die Frequenzen mit dem neu gegründeten – und letztlich nur kurzlebigen – Rockradio B teilen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde dem Jugendradio der Saft komplett abgedreht, als sich der NDR am 1. Januar 1992 das nördliche Bundesland als Sendegebiet einverleibte. Doch es kam noch schlimmer. Im Juni 1992 entschied der MDR, DT 64 auf die Mittelwelle zu verbannen, um die UKW-Frequenzen kommerziellen Privatsendern zur Verfügung zu stellen. Vier Tage später nahm DT 64 die Umstellung vorweg und strahlte zwölf Stunden lang eine Parodie unter dem Namen Superradio 2000 O aus: Dudelfunk, hektische Talks, kurze Nachrichtenblöcke, gesponserte Zeitansagen (»Meine Prolex-Uhr zeigt jetzt …«) und Werbespots: »Probieren Sie Aknesil Ultra Pickelcreme, mit 32 noch Akne wie mit 14!«

    Ab Juli 1992 war DT 64 noch ein Jahr lang über die Mittelwelle zu hören, später dann nur noch über Satellit – unter dem neuen Namen MDR Sputnik. Diesen Sender gibt es bis heute, zu hören inzwischen auch im Kabel, Internet, via App usw. Doch der rebellische Geist, die Power von der Eastside ist auf der Strecke geblieben. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Sender, der dazwischenfunkte. Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag, DT 64!

    André Scheer ist Autor des Buchs »Klassenkampf im Äther – 100 Jahre Radio in Deutschland«, erschienen im September 2023 im Verlag 8. Mai, 216 Seiten, 19,90 Euro

    #Radio #Geschichte #DDR #Protest

  • La chanson du jour : Waiting For The Great Leap Forward, The Go Set d’après Billy Bragg
    https://www.youtube.com/watch?v=ZyvWkwU4cSo

    Jour de la Victoire (9 mai)
    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Jour_de_la_Victoire_(9_mai)

    Le Jour de la Victoire (en russe : День Победы, Dien’ pobiedy), célébré le 9 mai en Russie et dans la plupart des pays de l’ancienne Union soviétique, est le jour de commémoration de la signature à Berlin de l’acte de capitulation de l’Allemagne nazie face aux troupes alliées (Union soviétique, États-Unis, Royaume-Uni et Commonwealth, France libre, Pologne libre, Roumanie, entre autres) et donc la fin pour les Soviétiques de la Grande Guerre patriotique.

    A Berlin on nous interdit de porter les drapeaux rouges en honneur aux soldats soviétiques.

    Dank Euch, Sowjetsoldaten ! : Antifaschistische Zeitenwende
    https://www.jungewelt.de/artikel/474926.dank-euch-sowjetsoldaten-antifaschistische-zeitenwende.html


    Berlin, 2. Mai 1945 : Soldaten der Roten Armee hissen die sowjetische Flagge auf dem Reichstagsgebäude

    8.5.2024 von Nico Popp - .79. Jahrestag der Zerschlagung des deutschen Faschismus: Flagge der Sowjetunion in Berlin erneut unerwünscht

    Die Peinlichkeit ist schon beinahe zur Routine geworden in der Stadt, die einmal die Hauptstadt Nazideutschlands war: Am 8. und 9. Mai werden Polizisten in Berlin wieder das Zeigen der Flagge der Sowjetunion – des Staates, dessen Soldaten die für die Zerschlagung der faschistischen Diktatur in Deutschland entscheidenden Siege erfochten und dabei unvergleichlich große Opfer gebracht haben – an den drei wichtigsten sowjetischen Ehrenmalen, die zugleich auch Grabstätten für Soldaten der Roten Armee sind, verhindern. Die deutsche Ideologie des Jahres 2024, die es erlaubt, diesen Vorgang für vollkommen logisch zu halten, ist schiere Idiotie: Putin ist Hitler und versucht als solcher, die Sowjetunion wieder zu errichten.

    Der antifaschistisch frisierte liberale Durchschnittskopf landet hier, wie stets und überall, mit schlafwandlerischer Sicherheit beim stupidesten Antikommunismus: Seine exekutive Gestalt sind Polizisten, die – wie in den beiden Vorjahren mehrfach geschehen – am 8. und 9. Mai im Treptower Park, im Tiergarten und in der Schönholzer Heide Menschen, die Fahnen kommunistischer Parteien oder die schlichte rote Fahne der Arbeiterbewegung mit sich führen, auffordern werden, diese ruckzuck wegzupacken, weil sie angeblich unter das groteske Flaggenverbot fallen. Diese Orientierungslosigkeit muss man indes dem polizeilichen Fußvolk nicht vorwerfen: Die dafür ursächliche Vorleistung an Konfusion haben diejenigen erbracht, die diese Verfügung auf der Grundlage einer politisch interessierten Verwechslung des russischen Staates von heute mit der vor über drei Jahrzehnten zerstörten UdSSR ausgearbeitet haben.

    Auf dieser Linie wurde 2024 sogar noch einmal nachgelegt: Während vor einem Jahr zunächst nicht nur das Zeigen der sowjetischen und russischen, sondern auch das der ukrainischen Flagge untersagt worden war (nach einer wütenden politisch-medialen Intervention wurde das wieder kassiert), wird diesmal gar nicht erst der Versuch unternommen, das Zeigen von Symbolen des ukrainischen Nationalismus an den fraglichen Mahnmalen, die politisch in einen antifaschistischen und internationalistischen Kontext gehören, zu verhindern. Es gilt also, weil alles auf dem Kopf steht, auch am nunmehr 79. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus so vielen Menschen wie möglich dabei zu helfen, in diesem Nebel nicht die Orientierung zu verlieren – anders wird die nächste antifaschistische Zeitenwende nicht zu machen sein.

    ... pendant ce temps à Moscou ...

    May 9th : How the anniversary of Nazi Germany’s surrender became the chief national holiday in modern Russia
    https://www.rt.com/russia/597224-wwii-victory-day-russia

    9 May, 2024 01:03, in Home Russia & FSU
    The day isn’t just a celebration of military triumph – it is a celebration of victory over death

    WWII Victory Day, celebrated in Russia on May 9, has become a special holiday. The war was both the greatest trial and the greatest triumph in Russia’s modern history. However, the celebrations acquired their current shape and form not so long ago, and some important traditions were established quite recently.

    How it all started

    The Act of Unconditional Surrender of the German Third Reich was signed by Field Marshal Wilhelm Keitel on May 8, 1945, at 22:43 Central European Time. In Moscow, it was already the early hours of May 9th. That very morning, Russians found out that the war, which had claimed 27 million Soviet lives, was finally over and the enemy had surrendered.

    The first celebration of victory in WWII – or the Great Patriotic War, as it is known in Russia – took place that very day. Army reports instantly dropped their official tone and described how the residents of Prague pulled the troops off their armored vehicles to dance and drink together. In the provinces, people ran out on the streets and congratulated each other. Indeed, some fanatical Nazis continued to put up resistance, Europe was full of mines, and reports stated that there were many losses throughout the month of May. But the big war was over, and to the sound of fireworks, people returned home.

    No one doubted that victory in WWII was an incredibly important event. However, people were grieving the deaths of their relatives and friends, and their pain was great. May 9 was immediately designated a national holiday. However, lavish celebrations seemed out of place as the country was in ruins, and mentally and physically crippled soldiers, concentration camp prisoners, ‘ostarbeiters’ and refugees returned home.

    In Western Ukraine and the Baltic States, battles against nationalist partisans continued. In those years, the Victory Day Parade was held only once, in the summer of 1945. During this grand spectacle, Wehrmacht and SS banners seized in Germany were thrown in front of the Kremlin. But in the following years, the celebrations became more modest. Every year on May 9th there was a fireworks display, but otherwise, from 1947 it was a regular workday (even though a festive one), and veterans usually celebrated it with friends.

    Things changed in 1965. By that time, 20 years had passed since the end of the war. New Soviet leader Leonid Brezhnev, himself a WWII veteran, decided to once again make May 9 a day off. From then on, military parades were held on Victory Day jubilees, the Tomb of the Unknown Soldier memorial was opened by the Kremlin wall, and the tradition of laying wreaths at the memorials was established. In short, the holiday acquired a grand scale and became quite solemn after the nation’s pain had somewhat subsided.

    The country is gone, but the memory remains

    The annual large-scale celebration of Victory Day, with parades held across the country and a military parade on Moscow’s Red Square, is a fairly new tradition. After the collapse of the Soviet Union, an obvious question arose – what should be done with the country’s communist legacy and symbology? For example, the Day of the 1917 Revolution was observed on November 7. It was replaced by another holiday, associated with Russian national heroes Minin and Pozharsky, who lived in the 17th century. But no one ever considered revising May 9th as Victory Day.

    However, the authorities wanted to separate the holiday from socialist ideology. In the Soviet Union, ideology and victory were inseparable. But in the 90s, a new era had dawned. The USSR had collapsed. Moreover, many war heroes fell prey to new conflicts. For example, Vladimir Bochkovsky, a hero of the battles in Ukraine and Germany, became a citizen of the unrecognized Republic of Transnistria, which started a bloody uprising against the former Soviet Republic of Moldova. Meliton Kantaria – the standard-bearer who had hoisted the Soviet flag over the Reichstag – was forced to flee from Abkhazia when an ethnic conflict broke out between the Abkhazians and Georgians, even though by that time, he was a very old man. At that time, a question arose – what does Victory Day mean for the new republics?

    Opinions differed. In the Baltic states, national elites believed that in the 40s their countries had been held hostage by two totalitarian regimes. Moreover, unofficially, the Nazis were preferred over the communists – for example, in Latvia, the memorial day of the Latvian SS Legion was officially celebrated for some time.

    In many other former USSR republics, Victory Day is celebrated in one way or another.

    In Russia, Victory Day has remained one of the most important national holidays, and a key moment in Russian history. However, the holiday has lost some of its political meaning. For example, Lenin’s Mausoleum is draped on May 9 in order to avoid ideological ties, and a new symbol has been added to the celebrations – the black and orange St. George ribbon, which resembles both the ribbon of the Order of St. George (the highest military decoration in Imperial Russia) and the ribbon of the Order of Glory – a WWII soldier’s award.

    Russian communists and leftists didn’t like the fact that the Soviet symbols were replaced. However, for the majority of Russian people, other aspects turned out to be more important. WWII impacted almost every family in Russia, and most people consider the Soviet era as simply one period in the country’s history. Therefore, national motives are considered more important than Soviet symbology.

    However, an even more pressing question was how Victory Day would look and what it would mean following the death of most war veterans. WWII was mainly won by people who were born in the 1900s-1920s. The last generation which really participated in the war was born in 1926. By 2010, these veterans were already 85 years old. And today, most Russians do not personally know anyone who fought in WWII.

    The answer to the question “What to do next?” was eventually found – and it was offered not by the state, but by the people themselves.

    An old holiday celebrated in a new way

    In 2012, three journalists from the provincial city of Tomsk organized a street march. The descendants of veterans marched through the city, bearing photos of their deceased relatives who had fought in WWII. This event was dubbed the ‘Immortal Regiment’. That year, 6,000 people participated in the march on May 9. And while for these people, the war was no longer a part of their own lives, it remained a part of family history. After all, nearly everyone had a grandfather or grandmother who fought, and if the word “great-grandfather” sounded abstract to many, “my grandmother’s father” felt much more personal.

    The idea of marching with the photographs of their heroic ancestors appealed to people all over Russia, and the very next year, Immortal Regiment events were held in almost all the major cities of Russia. The march instantly became a Victory Day tradition and the event gained official status. An online offshoot of the Immortal Regiment also appeared – a platform where anyone can publish information about their ancestors who fought in WWII. The number of such records on the website is approaching one million. Thus, May 9th acquired a new meaning – it became not only a veterans’ holiday or a celebration of military triumph, but also a memorial march which allowed people to honor their personal family history.

    Each country has its own memorable dates. For example, July 4th brings Americans together, but for the rest of the world, it is just like any other day. For China, October 1st – the Day of the Formation of the People’s Republic of China – is one of the main dates in its history.

    For Russia, May 9th is a date that is permanently ingrained in the country’s history and culture. During WWII, the people of our country, along with those of other USSR republics, survived a meat grinder that lasted four years. They did not allow themselves to be broken, but defeated the enemy – and then proceeded to rebuild their country from the ruins. Russia lost a lot of people in WWII, and victory came at an unthinkable price. But it was unconditional.

    That is why for Russians, May 9th isn’t just a celebration of military triumph – it is a celebration of victory over death.

    By Roman Shumov, a Russian historian focused on conflicts and international politics

    #guerre #fascisme #victoire #commémoration

  • Gefangenensolidarität : »Sie ist in eine andere Zelle verlegt worden« 
    https://www.jungewelt.de/artikel/474888.gefangenensolidarit%C3%A4t-sie-ist-in-eine-andere-zelle-verlegt-wor


    Gefangenensolidarität : In Berlin demonstrierten Hunderte Personen für Daniela Klette (9.3.2024) Christophe Gateau

    Un conseil : si tu vies en Allemagne n’affiche jamais ta solidarité avec les prisonniers politiques. Tu perdras ton travail et aucun syndicat de taille te défendra.

    7.5.2024 von Annuschka Eckhardt - Solidarität für das mutmaßliche Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette. Ein Gespräch mit Ariane Müller

    Vergangene Woche wurde der 1. Mai mit großer gewerkschaftlicher Beteiligung begangen. Was ist Ihnen als Betriebsrätin passiert?

    Ich bin Krankenschwester im größten Bremer Krankenhaus, im Klinikum Bremen-Mitte. Ich war dort freigestellte Betriebsrätin. Am 17. März, im Kontext des Tags der politischen Gefangenen, hatte ich vor dem Frauengefängnis in Vechta eine Kundgebung angemeldet aus Solidarität für die inhaftierte Daniela Klette, mutmaßlich ehemaliges RAF-Mitglied. Wir sind solidarisch mit ihr und haben auch dort gegen ihre Haftbedingungen protestiert, denn sie war dort über zwei Monate lang in Einzelisolationshaft, durfte nur alleine Hofgang machen, wurde videoüberwacht und hatte kein natürliches Tageslicht in ihrer Zelle, da eine Metallblende vor ihrem Fenster angebracht war. Sie war vollkommen abgeschottet. Dies ist für mich weiße Folter.

    Dann brach ein Shitstorm gegen mich persönlich aus. Irgend jemand aus dem Krankenhaus muss es den Medien gesteckt haben, dass ich die Solidaritätskundgebung angemeldet hatte. Mein Betriebsrat hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als mich von der Freistellung als Betriebsrätin abzuwählen. Dies war die Voraussetzung, dass die Geschäftsführung der Klinik mich dann von der Arbeit am Patientenbett freistellen konnte. Ich darf das Krankenhaus nicht mehr betreten, außer mittwochs, wenn wir die Betriebsratssitzung haben, einfaches Betriebsratmitglied bin ich ja noch. Ich darf keinen Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen halten. Meine E-Mail-Adresse ist gesperrt worden. Das ist praktisch ein Berufsverbot, nicht nur als Krankenschwester, sondern auch als Betriebsrätin. Mein konsequenter Einsatz für die Kollegen ist dem übrigen Betriebsrat und der Geschäftsführung schon seit langem ein Dorn im Auge.

    Wie sieht Ihr Vertrauen in gewerkschaftliche Organisation momentan aus?

    Gespalten. Ich habe ein gespaltenes Verhältnis wegen meiner persönlichen Geschichte, die ich eben schilderte. Der zuständige Gewerkschaftssekretär ist auf meiner Seite. Einige weitere Gewerkschaftssekretäre von Verdi haben mir zwar unter vier Augen ihre Solidarität erklärt, ein offizielles Statement vermisse ich allerdings.

    Was gedenken Sie jetzt zu tun?

    Meine Anwältin verhandelt gerade mit dem Anwalt der Gegenseite. Und das Ergebnis, was dabei rauskommt, wie es jetzt für mich weitergeht, das werde ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen erfahren.

    Sie haben das Solidaritätsnetzwerk für Daniela Klette mitgegründet und sind dort sehr aktiv. Was hat die Öffentlichkeit bislang bewirkt?

    Die beiden Kundgebungen vor dem Frauengefängnis in Vechta konnten bewirken, dass Danielas Haftbedingungen im April gelockert wurden. Sie ist in eine andere Zelle verlegt worden, ohne Videoüberwachung, und es kommt auch Tageslicht herein. Ich denke, das ist auf den Druck der Öffentlichkeit durch die Kundgebungen und durch weitere solidarische Aktionen zurückzuführen. Auch Danielas Anwalt Lukas Theune hat ihre Isolationshaft immer wieder in den Medien angeprangert. Ich habe schon mehrere Besuchsanträge gestellt, um Daniela in der JVA zu sehen, die werden einfach nicht bearbeitet. Sie möchte unbedingt, dass ich sie besuche. Briefe brauchen wochenlang, bis sie Daniela erreichen. Also, da ist noch sehr viel Luft nach oben.

    Haben Sie schon eine Nachricht aus dem Gefängnis von Daniela Klette bekommen?

    Ich habe kürzlich einen ersten Brief von ihr erhalten. Das war natürlich total toll. Sie hat unter anderem beschrieben, wie sie den Alltag in Vechta erlebt.

    Was steht jetzt noch an in der Soli­darität mit Daniela Klette?

    Wir machen natürlich weiter! In Abständen werden wir weiterhin Kundgebungen vor dem Frauengefängnis in Vechta abhalten, damit Politik und Justiz sehen: Wir lassen nicht locker! Wir befürchten, dass sich sonst ihre Haftbedingungen wieder verschärfen. Unsere nächste Veranstaltung wird am 10. Mai in Hamburg stattfinden unter dem Motto »Solidarität mit Daniela Klette«, eine Podiumsdiskussion, bei der ich auch sprechen werde.

    Ariane Müller ist Krankenschwester und Aktivistin in der Solidaritätsarbeit zu politischen Gefangenen

    Veranstaltung: Freitag, 19 Uhr, Centro Sociale, Sternstr. 2, 20357 Hamburg

    #Allemagne #terrorisme #répression

    • Comment l’a t on retrouvée ?

      Le 26 février 2024, Koray Freudenberg, procureur de la ville de Verden, annonce que Daniela Klette, désormais âgée de 65 ans, est arrêtée à Berlin-Kreuzberg, ou elle vivait sous un faux nom depuis environ 20 ans, après une cavale de plus de 25 ans.

      Daniela Klette a été retrouvée grâce à des outils d’intelligence artificielle utilisés par un podcast télévisé allemand. La police et les services de sécurité allemands sont, eux, liés par des lois strictes sur la vie privée qui limitent leur capacité à utiliser ces types d’outils améliorés par l’intelligence artificielle. La police a trouvé une arme antichar, un fusil Kalachnikov et un pistolet-mitrailleur dans son appartement.

    • C’était une combinaison de délation, de progrès technique et d’acharnement de la police politique. Elle a commencé á ne plus fait attention aux règles essentielles de la clandestinité, compte facebook, photos sur internt etc.
      Qu’est-ce que tu veux, avec le temps on s’épuise et aime oublier ce que disait le procureur Herold en 76/77

      wir kriegen sie alle.

      https://www.youtube.com/watch?v=a7E7NLKU3VA

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Horst_Herold

      Seine auf die damaligen Terroristen der RAF und der Bewegung 2. Juni gemünzte Ankündigung „Wir kriegen sie alle“ wurde mehrmals künstlerisch verarbeitet, unter anderem zu hören auf dem „Verschwende Deine Jugend“-Sampler („Horst Herold – Wir kriegen euch alle“), auf dem „Gang nach Canossa II“-Sampler („D.Werk – Wir kriegen sie alle“) und als Endlosrille auf der LP Amok Koma der Gruppe Abwärts.

      Dans cet article se trouve l’explication de Herold d’une nouvelle méthode de pour identifier les adresses de personnes en clandestinité.

      Unter der Leitung von Horst Herold wurde im Zuge des innenpolitischen Kampfes gegen den Terror der RAF die Rasterfahndung eingeführt. Horst Herold erläuterte das Vorgehen 1986 so:

      „1979 unterhielt die RAF in Frankfurt am Main eine oder mehrere unter Falschnamen angemietete konspirative Wohnungen, die Polizei wußte nur nicht, wo. Da die Terroristen die Stromrechnung nicht von Konto zu Konto bezahlen konnten, war anzunehmen, daß ihre Falschnamen sich in der Gruppe derer befinden müßten, die ihre Stromrechnung bar bezahlen. Dies waren seinerzeit etwa 18000. Wie kann man die gesuchten Falschnamen der Terroristen aus einer solchen Menge herausfinden? Die Antwort ist einfach: indem man alle legalen Namensträger so lange aus der Menge der barzahlenden Stromkunden herauslöscht, bis nur noch die Träger von Falschnamen übriggeblieben sein können. Sonach wurden aus dem richterlich beschlagnahmten Magnetband aller barzahlenden Stromkunden alle Personen herausgelöscht, deren Namen als legale Namen feststanden: die gemeldeten Einwohner, die Kfz-Halter, die Rentner, die Bafög-Bezieher, die im Grundbuch verzeichneten Eigentümer, die Brandversicherten, die gesetzlich Krankenversicherten und so weiter – jede Datei mit Legalnamen kann als ‚Radiergummi‘ dienen. Erst dann, wenn anzunehmen ist, daß alle Legaldaten herausgelöscht sein könnten, wird der Restbestand des Magnetbandes ausgedruckt. Im Falle Frankfurt fanden sich am Ende der allerdings auch manuell unterstützten Prozedur nur noch zwei Falschnamen: der eines Rauschgifthändlers und der des gesuchten Terroristen Heißler, der in seiner dadurch ermittelten konspirativen Wohnung kurz darauf festgenommen wurde.

      Daniela Klatte n’était pas formée en informatique et ne pouvait pas estimer l’importance du rôle de la reconnaissance faciale parmi les méthodes de recherche. Elle s’est faite répérer en parallèle par un amateur et la police sur les photos d’elle qui la montrent pendant le carnaval des cultures à Berlin.

  • Eine deutsche Spezialität : - Erfolgreiche Diffusion
    https://www.jungewelt.de/artikel/473138.eine-deutsche-spezialit%C3%A4t-erfolgreiche-diffusion.html


     »Antideutsch« – nämlich gegen das neue, vergrößerte Deutschland gerichtet – zu sein war damals noch Konsens unter deutschen Linken (Demonstration gegen die »Wiedervereinigung« , Frankfurt am Main, 12.5.1990)

    Les "Antideutsche", un courant autonome de la gauche allemande, a été transformé dans une sorte de cinquième colonne de Washington et Tel Aviv. Depuis bientôt trente ans cette bande de s’affaire à détruire toute tentative de créer un alliance de gauche contre leur le défenseur de la démocratie (les États Unis) et le bastion contre la dictature (l’état d"Israël) au proche orient. Ils ne sont pas très nombreux mais leur voix est très forte. Voici leur histoire.

    11.4.2024 von Gerhard Hanloser - Ein kritischer Impuls gegen »Großdeutschland« wird zum Material deutscher Staatsräson. Unterwegs wird der Krieg als Zivilisationsbringer entdeckt. Über Antideutsche

    Als 1989/90 die DDR unterging, geriet die bundesrepublikanische Linke ins Schlingern. Das unter Federführung von Bundeskanzler Helmut Kohl schlagartig größer gewordene Deutschland stellte eine Bedrohung dar, nicht nur für andere Länder, nicht nur für alles, was als »undeutsch« erachtet werden konnte, sondern eben auch für die Linke selbst. In den frühen 1990er Jahren war nicht zuletzt deshalb eine sich selbst als »antideutsch« definierende Stimmung und Haltung in der radikalen Linken weitverbreitet. Die Anfangsparole »Nie wieder Deutschland!« schien nicht nur berechtigt angesichts einer Explosion von Alltagsrassismus, die der deutschen Wiedervereinigung auf den Fuß folgte. Die Pogrome von Rostock und Hoyerswerda, die sprunghafte Zunahme antisemitischer Friedhofsschändungen und ein Erwachen neuer Großmachtbestrebungen zeigten, dass die Alarm schlagende Deutschland-Kritik zur Wiedervereinigung, die im Ausland zu vernehmen war und von relevanten Teilen der Linken geteilt wurde, prophetisch war.
    Nie wieder Deutschland!

    Wer sich nicht auf der großen Frankfurter Demonstration am 12. Mai 1990 unter der Parole »Nie wieder Deutschland! Demon­stration gegen deutschen Nationalismus, gegen die Kolonialisierung Osteuropas und gegen die Annexion der DDR« einfand, zu der nicht nur der Frankfurter Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, sondern auch die Hamburger und Münsteraner Grüne Alternative Liste, die Kölner Nicaragua-Koordination, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und der Duisburger Antiimperialistische Kongress aufgerufen hatten, war vielleicht, wie der Autor, zu Hause geblieben und etwa dem Aufruf der Antifagruppe Freiburg, des Bundes Westdeutscher Kommunisten, des ­Motorradclubs Kuhle Wampe und des U-AStA gefolgt und fand sich am Dienstag, dem 30. Januar 1990 am Bertoldsbrunnen unter der Parole »Nie wieder Großdeutschland« ein. Oder er suchte am 1. Dezember in aller Kälte den Platz vor dem Kaufhaus Schneider in Freiburg auf, um zu konstatieren: »Das neue Deutschland ist wieder eine souveräne Großmacht. In den Zwei-plus-vier-Gesprächen und dem KSZE-Treffen wurde dem (anscheinend) vorbehaltlos zugestimmt. Es werden der deutsche Faschismus, der Zweite Weltkrieg und seine Folgen zu den Akten gelegt. Damit wird die nie ernsthaft in Angriff genommene Auseinandersetzung mit der Geschichte Deutschlands endgültig verneint. Das ist der fruchtbare Boden für die Offensive von deutschem Nationalismus und Rassismus.«

    Die Antworten auf solche Befunde atmeten den Geist der Subversion und des linken Radikalismus: »Wahlboykott, Streik, Demos, alltägliche Verweigerung sind wichtige Negationen des Bestehenden. Ebenso muss die Verwirklichung der Utopie einer befreiten Gesellschaft versucht werden. Es ist alles dranzusetzen, dass eine radikale außerparlamentarische Opposition, ein Widerstand von unten gegen das kapitalistische System Konturen annimmt (…) Widerstand ist die Verweigerung, die Sabotage. Widerstand ist Häuserbesetzen, verstopfte stinkende Straßen zu blockieren, sich die Plätze und Dinge selbstbestimmt anzueignen. Widerstand ist menschliche Wärme, das Zerbrechen der Vereinzelung. Widerstand ist Solidarität mit denen von uns, die sie in die Knäste stecken, ist Solidarität überhaupt.«

    Die Sprache und die aufrufenden Gruppennamen verraten es: Nahezu das gesamte radikal linke Milieu – auch das antiimperialistische – war »gegen Großdeutschland« und fürchtete ein neues »viertes Reich«.

    In den frühen 1990er Jahren war die antideutsche Kritik also noch eine Form radikalisierter linker Politik angesichts einer sie überrollenden historischen Entwicklung. Demnach spitzte die antideutsche Linke in ihrem Bedürfnis, die Wiedervereinigung als offizielles Staatsprojekt abzulehnen, die im linken Milieu stets eingeübte Subversionspraxis und Haltung radikaler Kritik am Bestehenden lediglich auf Deutschland und die neue Situation zu. Doch in den darauffolgenden zehn, 20 und 30 Jahren gab es eine so rasche und schnelle Entmischung und Neuzusammensetzung dieser Linken, eine Verabschiedung alter gemeinsamer Standpunkte und Konsenspositionen, wie man es in dem Umbruchmoment 1989/90 und den noch im Zeichen des Linksaktivismus stehenden Jahren danach nicht für möglich gehalten hätte.
    Kriegsunterstützer

    Zwischenzeitlich trommelten Intellektuelle aus der Linken für den Golfkrieg 1991. So verkündete der Anfang 2020 verstorbene Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza anlässlich des US-Kriegs gegen Saddam Hussein, »dass hier einmal aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen das Richtige getan zu werden scheint«. Krieg sei notwendig zum Schutz Israels. »Nie wieder Krieg« und »Nie wieder Auschwitz« sollte nicht mehr länger untrennbar sein. »Es kann schlimmere Übel geben als den Krieg«, darin waren sich plötzlich linke Staatskritiker und liberale Staatsphilosophen wie Jürgen Habermas einig. Als aber schließlich angesichts der jugoslawischen Zerfallskriege und des ersten deutschen Angriffskrieges nach 1945 aus dem Mund des ersten grünen Außenministers Joseph Fischer ähnliche Kriegsbegründungen zu vernehmen waren wie während des Golfkriegs von den israelsolidarischen linken Bellizisten, war die große Unüberschaubarkeit ausgebrochen. Gelang es der linken Monatszeitschrift Konkret 1991 nicht, ihre Leserschaft von der angeblichen Richtigkeit des damaligen Krieges zu überzeugen, wie die Flut empörter Leserbriefe und Abonnementkündigungen zeigte, so vollbrachte Joseph Fischer diese Meisterleistung in bezug auf seine Partei auf einem außerordentlichen Parteitag in Bielefeld 1999: das Einschwören einer ursprünglich pazifistischen Parteibasis auf einen NATO-Krieg, der noch dazu nicht vom Völkerrecht gedeckt war.

    In der Diskursfigur »Krieg ist besser als Auschwitz« formierte sich eine prowestliche Front, deren Kennzeichen ein antifaschistisch begründeter Bellizismus und die Unterstützung für Israel waren. Später sprachen sich Antideutsche gemäß dieser Logik für den »War on Terror« in der Folge von »Nine Eleven« sowie für den Krieg gegen den Irak im Jahr 2003 aus. So etwa auch in der traditionsreichen Zeitschrift Blätter des Informationszentrums 3. Welt (heute iz3w) aus Freiburg, die in dieser Zeit sehr stark von Redakteuren geprägt war, die sich am antideutschen Diskurs orientierten. Die iz3w-Reaktion meinte: Gelogen werde in Zeiten des Krieges doch immer, was solle die Aufregung, schließlich sei der Diktator Saddam Hussein entmachtet, darüber soll man sich freuen und dies den »Demokraten Blair und Bush« danken. Verdruckste Kriegsapologetik wurde auch in einer unter Gesprächsleitung von Jörg Später stehenden iz3w-Diskussion artikuliert, in der ein anderer Redakteur das redaktionelle Lavieren im Nonsensbekenntnis »Die USA wollen das (partiell) Richtige, aber aus den falschen Gründen und mit den falschen Mitteln« zusammenfasste und damit Gremlizas Bekenntnis von 1991 nachäffte.

    Besonders pittoresk und der antideutschen Ideologieprägung der Redaktion geschuldet war jedoch, dass die Golfkriegsrechtfertigung als Aktualisierung der Kritischen Theorie verkauft wurde. Wer sich nämlich den Fakten, also den Kriegslügen der USA widme, der sei in das »Elend des Positivismus« verstrickt. Es gelte statt dessen, das »Ganze als das Unwahre« – wie Adorno aus der »Minimal Moralia« zitiert wurde – zu erkennen, und da wären doch ein paar gefälschte Fakten nicht weiter der Rede wert. Diese Haltung transportiere die »Vorzüge der kritischen Vernunft«, hieß es bei iz3w, deren Redaktion bis heute von solch prowestlichen Stimmen beherrscht wird.

    jW-Shop, Siegert: Marx geht um

    War dieser unumwunden positive Bezug auf die mit Lügen begründete imperialistische Politik der USA und deren kriegerische Aggression also die gebotene Überwindung des alten »Antiimperialismus«, die die Linke den Antideutschen zu verdanken habe, wie so manch einer heute noch meint? Anhand dieser Episode zeigt sich jedenfalls, wie Theorie zur Mode verfiel, wie kritische Begriffe zu reinen Spielmarken derer verkamen, die mit dem Repertoire der Kritischen Theorie bloß kokettierten.
    Sympathien für rechts

    Dieser antideutsche Bellizismus hatte seinen Scheitelpunkt 2003 sicherlich erreicht. In den vergangenen Jahren hat sich die Selbstbezeichnung »antideutsch« verflüchtigt. Nicht jedoch der Zuschnitt der antideutschen Agenda, die in herrschende ideologische Kanäle diffundiert ist. Für die meisten Antideutschen war der klassische Linke das Objekt, an dem sie sich abarbeiteten; längst war man darin eingespielt, Linken vorzuhalten, sie seien antisemitisch, völkisch, nationalistisch und antiamerikanisch. In diesem Urteil – besonders, was Antiamerikanismus und Antisemitismus anging – traf sich der Antideutsche mit dem Rechten, der in Springers Welt oder mit Joachim Fest von der FAZ schon länger den linken Antiimperialisten als neuen Nazi erkannt hatte. Damit lag ein markanter Wechsel in der Bündnispolitik auf der Hand. Konservative und offen antilinke Publizisten und Wortführer, Medien wie politische Kräfte schienen einem Teil der »Antideutschen« als akzeptabel: Henryk M. ­Broder und die Freiburger Initiative Sozialistisches Forum (ISF), die sich als »Linkskommunisten« bezeichneten, gemeinsam gegen angebliche linke Antisemiten. Querfront?

    Ein jüngerer Tiefpunkt dieser Entwicklung war der auch in den Medien rezipierte Szenestreit um den Bahamas-Autor Thomas Maul, der die AfD am 9. Mai 2018 nach einer Rede des Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland anlässlich des 70jährigen Bestehens des israelischen Staates als »einzige Stimme der Restvernunft im Bundestag« lobte. Mit der AfD also für Israel und gegen Antisemitismus. Genau dieser Teil der Antideutschen befleißigt sich einer »Islamkritik«, der auch rassistische Invektiven nicht fremd sind. So haben einige Antideutsche also durchaus Verständnis für die AfD, wenn die Partei Israel bedingungslos unterstützt, und auch für die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (PEGIDA), wenn sich bei deren Kundgebungen eine »Islamkritik« artikuliert. Im Visier steht hier wie dort: die muslimische und arabische Bedrohung.

    Der »Sommer der Migration« 2015 war für einen Teil des vormalig antideutschen Milieus ein Scheidepunkt. Die Entscheidung fiel zugunsten des Staates aus. Aus traditionell israelfeindlich eingestellten Ländern, so beschwor man, rückten antisemitische Migranten auf Deutschland zu. Diesem Ausnahmezustand war in den Augen der ideologisch aufgerüsteten ehemaligen Linken nur mittels Flüchtlingsabwehr als praktischem Antiantisemitismus zu begegnen. Der Betrug solcher Antideutschen erweist sich nicht zuletzt in dieser rabiat deutsch-souveränistischen Selbstpositionierung.
    Durchlauferhitzer

    Nun mag man im Falle der Bahamas tatsächlich abwinken. Doch diese schrille Berliner Zeitschrift muss als Durchlauferhitzer angesehen werden für eine ganze Menge Publizisten und Wissenschaftler, die auf ihrem individuellen Marsch durch die Institutionen inzwischen angekommen sind und so auf lange Sicht vermochten, antideutsche oder besser: antilinke Allgemeinplätze im publizistischen, wissenschaftlichen und pädagogischen Feld zu verankern. Stephan Grigat, Matthias Küntzel, Samuel Salzborn, Jan Gerber sind nur einige Namen, die hier zu nennen wären.

    Ging es den Marschierern durch die Institutionen in den 1970ern um eine Verbreitung linker, tendenziell auf Gleichheit abstellender Inhalte in Universitäten, Schulen und Sozialarbeit, so wirken die antideutschen Interventionen auf diesen Feldern als Kampfansage an soziale Gleichheitsvorstellungen, an Antirassismus und die Linke allgemein. Der Antisemitismusvorwurf an die Opposition von links ist hierbei das beliebteste Disziplinierungs- und Skandalmittel. Gekoppelt wurde dieser Vorwurf nicht grundlos mit der Behauptung, die Partei Die Linke demonstriere in ihrer Haltung zu Israel ihre Unfähigkeit, mit anderen Parteien zu koalieren. Der ehemalige Bahamas-Autor Samuel Salzborn und der Jungle World-Autor Sebastian Voigt lancierten einen demagogischen, wissenschaftlich kaum haltbaren, aber in der Öffentlichkeit um so wirksameren Artikel, worin ein angeblich hegemonial werdender Antisemitismus innerhalb der Partei diagnostiziert wurde. Der Beitrag, in Teilen als Vorabdruck in der Frankfurter Rundschau erschienen, sorgte für eine aufgeregte Debatte und führte sogar dazu, dass im Bundestag eine aktuelle Stunde zum »Antisemitismus der Partei Die Linke« abgehalten wurde.

    Samuel Salzborn, der von 2012 bis 2017 Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen war, formuliert in einem anderen Kontext: »Die linken Organisationen, die heute Antisemitismus und Israel-Hass verbreiten, verfolgen nach wie vor das völkische Weltbild des Antiimperialismus, das von ethnisch-kulturellen Homogenitätsvorstellungen geprägt ist: als Glaube an ethnische Kollektive, die nur in ihrer völkischen Homogenität und als einheitliche Kultur wahrgenommen werden – und nicht in ihren Widersprüchen und Abweichungen. Der Antiimperialismus, der sich primär gegen Amerika und Israel richtet, stellt die Rahmenideologie dar, deren integraler Bestandteil der Antisemitismus, vor allem in Form des Antizionismus ist. Der antiisraelische Antizionismus im Gewand antiimperialistischer Ressentiments fungiert dabei – zusammen mit dem Antiamerikanismus – als zentrales ideologisches Element des Linksextremismus.« Das mag für einen Unkundigen oder einen Staatsschützer einleuchtend klingen, allein: Welche linken Organisationen sind gemeint, von welcher Verkörperung des »Linksextremismus« ist die Rede?

    Ein Schlüsseltext zur Denunziation der antiimperialistischen Linken als antisemitisch stammt (wie die ISF mit ihrem Ça-ira-Verlag ebenfalls aus Freiburg) von Thomas Haury. In dem aus den frühen 1990er Jahren verfassten Artikel macht Haury vor dem Hintergrund einer äußerst schmalen Quellenbasis eine »Logik des bundesrepublikanischen Antiimperialismus« aus, die »strukturell antisemitisch« sei. Dieses Verdikt hat sich mittlerweile zu einem ungeprüften Vorurteil entwickelt. Verspricht es den einen die politisch korrekte moralische Haltung, so ist es anderen ein interessengeleitetes Geschäft.

    Wer sich für das Schicksal der Palästinenser einsetzt, wer aus internationalistischen beziehungsweise antiimperialistischen Motiven Kritik an Israels Besatzungspolitik übt, dem kann, dem wird nicht selten kurzerhand »Antisemitismus« unterstellt. Mit Mena-Watch, einer Ende 2011 in Wien ins Leben gerufenen proisraelischen Medienbeobachtungsstelle, oder den Ruhrbaronen, einem einflussreichen rechtsliberalen Blog, finden sich passende Plattformen, denen keine Anklage zu konstruiert, kein Antisemitismusvorwurf zu abwegig erscheint, in ihren ideologischen Filterblasen und Echokammern jedwede Kritik an der israelischen Politik auszuschließen.

    Ein wichtiger Protagonist ist in diesem Zusammenhang der Publizist und Buchhändler Alexander Feuerherdt, der seit 2006 den Blog Lizas Welt unterhält und neben Fußballthemen vor allem proisraelische Kommentare zum Nahostkonflikt verfasst. Er schreibt für die Jüdische Allgemeine, den Tagesspiegel und gehört zu den regelmäßigen Beiträgern für Henryk M. Broders rechten Blog Achse des Guten. Außerdem war er bis zum Ukraine-Krieg polemisch zuspitzender Autor zu Israel und Nahostfragen für Konkret. Was die politische Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) angeht, erklärte er dort, dass die sich »nicht ›nur‹ gegen die israelische ›Besatzung‹ richtet, sondern dass das, was früher ›Kauft nicht beim Juden!‹ hieß, heute de facto zur Parole ›Kauft nicht beim Judenstaat!‹ mutiert ist«.
    Zur Staatsräson geronnen

    Diese Sichtweise ist inzwischen offiziös geworden: Felix Klein, der Bundesbeauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus legt fest: Die »BDS-Bewegung ist in ihren Handlungen und Zielen antisemitisch«. Mit dieser Bestimmung gerät der ehemalige Diplomat allerdings in Widerspruch zu aktuellen Forschungsergebnissen. Viele Historiker und Politologen verweisen auf den menschenrechtlich motivierten Zuschnitt der gewaltfrei agierenden BDS-Kampage. So schreibt der Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann, mit der ideologischen Kategorie des »israelbezogenen Antisemitismus« gerieten BDS »oder die BDS-nahen Kritikerinnen der israelischen Politik in den Mittelpunkt des neuen Antisemitismusstreits, parallel zur Marginalisierung des ›klassischen Antisemitismus‹ im rechtskonservativen Lager«. Und auch der Historiker Gerd Koenen urteilt, es handele sich bei BDS um eine »aus linker oder liberaler Ethik gespeiste internationale Solidaritäts- und Boykottbewegung gegen die israelische Besatzungspolitik«. Etliche namhafte jüdische und israelische Wissenschaftler, von denen viele in den Bereichen jüdische Geschichte und Antisemitismus forschen, appellierten an die deutschen Parteien, über BDS zu diskutieren, »eine kategorische Delegitimierung solcher gewaltfreien Mittel ist falsch und kontraproduktiv«.

    Seit dem 7. Oktober, dem Angriff von bewaffneten Hamas-Einheiten aus Gaza und den sich anschließenden Massakern an israelischen Zivilistinnen und Zivilisten, hantiert die große Medien- und Politikkoalition noch leichtfertiger mit dem Antisemitismusvorwurf. In den entsprechenden Diskursen steht wohlfeile Moral gegen reale Interessen, gegen Begriff und Vernunft, um einen beständigen Verdacht zu artikulieren. Denkfaulheit und eine falsche Identifizierung der Juden mit Israel und einer Kritik an Israel mit Antisemitismus fallen so mit der »Staatsräson« Deutschlands zusammen.
    Immer schon Mainstream

    Die Antideutschen mögen als »Antideutsche« verschwunden sein. Doch bereits als wahrnehmbare Szene waren sie »Mainstream im sektenhaften Gewand«. Mittlerweile gehören Teile ihrer Positionen zur deutschen »Staatsräson«. Sie sind kein vergessenes Randphänomen, vielmehr aktueller Ausdruck des »Elends der deutschen Zustände«, die sich durch militaristisches Denken, prowestlichen Konformismus, Verachtung der linken Geschichte von Internationalismus und Antiimperialismus auszeichnen. Aus mannigfaltigen Gründen bedienen sie die offizielle deutsche »Staatsräson«, Israel bedingungslos zu unterstützen. Kritisch ist daran nichts mehr; eine antideutsche Haltung im positiv-emphatischen Sinne von Unangepasstheit, Nonkonformismus und Antistaatlichkeit kann in dieser Haltung schon lange nicht mehr ausgemacht werden.

    Gerhard Hanloser ist Herausgeber des 2004 im Unrast-Verlag erschienenen Sammelbands »Sie war’n die Antideutschesten der deutschen Linken«. 2019 veröffentlichte er die Bilanz »Die andere Querfront. Skizzen des antideutschen Betrugs«.

    #Allemagne #philosemitisme #sionisme #impérialisme #politique #gauche #Antideutsche

  • Erinnerungspolitik : »Für manche ist auch der Kommandant von Fort Zinna ein Opfer des Stalinismus« 
    https://www.jungewelt.de/artikel/474270.erinnerungspolitik-f%C3%BCr-manche-ist-auch-der-kommandant-von-fort

    En Saxe la fondation du Land pour la commémoration des victimes des dictatures exclut les antufascistes des décisions sur le contenu de ses musées. Résultat : On accorde un tiers des surfaces aux détenus nazis sous l’occupation soviétique, un tiers aux prisonniers en RDA et un tiers aux victimes du fascisme nazi. Ce faisant la fondation ne range pas seulement les persécutions nazies et les injustices en RDA dans la même catégorie mais elle réduit d’une manière arbitraire l’importance du régime nazi pour l’histoire allemande à un tiers alors que le poids de ses crimes ses crimes dépasse largement de celui des époques suivantes.

    Suivant l’approche de la fondation du Land la plupart des nazis enfermés étaient innocents car on ne les a jamais condamné à des peines notables ou même pas du tout.

    L"association des prisonniers antifascistes refuse alors de participer aux réunions de la fondation.

    27.4.2024 von Nico Popp - Über sächsische Gedenkstättenpolitik, eine skandalöse Ausstellung in Torgau und die geschichtspolitische Gleichsetzung von Naziregime und Sowjetunion. Ein Gespräch mit Rolf Surmann

    Verbrecherische Militärjustiz: Einer der Zellenblöcke des Wehrmachtgefängnisses Fort Zinna, aufgenommen unmittelbar nach der Befreiung im April 1945

    Im März hat die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz die Zusammenarbeit mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten beendet. Der Geschäftsführer der Stiftung, Markus Pieper, ließ sich, nachdem das Anfang April bekanntgeworden war, mit dem Angebot zitieren, man nehme den »Gesprächsfaden« jederzeit gerne wieder auf. Zumal zuletzt ein »von uns sehr begrüßter konstruktiver Dialog zwischen unserer Stiftung und der Bundesvereinigung stattgefunden« habe. Was halten Sie davon?

    Die Stellungnahme von Herrn Pieper mit dieser herausgestellten Gesprächsbereitschaft hat uns schon überrascht. Wir haben das in den vergangenen Jahren ganz anders wahrgenommen, ja im Grunde genommen genau die gegenteilige Erfahrung gemacht. Wir haben verschiedentlich Gespräche angeboten und auch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie wirklich notwendig sind, um die vorhandenen Konflikte aus der Welt zu schaffen. Es gab ein Gespräch zum Thema Torgau, nach dem wir festgestellt haben, dass wir die Bereitschaft begrüßen, mit uns zu sprechen und Änderungsvorschläge zu berücksichtigen. Wir haben aber klar gesagt, dass wir weitere Gespräche für notwendig halten. Das wurde auch schriftlich festgehalten. Ich habe das in einer Beiratssitzung im vergangenen Herbst nochmals angesprochen. Und da gab es letztlich überhaupt keine Resonanz. Weder bei der Leitung in Torgau noch beim Geschäftsführer Pieper.

    Hat man auf der Seite der Stiftung nicht damit gerechnet, dass die Bundesvereinigung tatsächlich von sich aus die Zusammenarbeit beendet?

    Davon gehe ich aus. Nach dem unfreiwilligen Abgang des vorherigen Geschäftsführers ist Herr Pieper eingestellt worden, um diese Stiftung aus den ganzen Schwierigkeiten, Problemen und Skandalen, in denen sie über viele Jahre gesteckt hat, herauszuführen. Das war verbunden mit Signalen, dass sich etwas ändern würde. Und vielleicht hat man unterstellt, dass wir uns trotz der intern geäußerten Kritik mit diesem Stand vorläufig arrangieren. In gewissem Sinne hat die Stiftung ja ein grundsätzliches Interesse daran, die Bundesvereinigung einzubinden. Es ist für sie keineswegs angenehm, wenn etwa in Torgau bei Veranstaltungen die Verfolgtenorganisation nicht vertreten ist.

    In der Erklärung der Bundesvereinigung zur Beendigung der Zusammenarbeit wird auf eine Neuerung in der Arbeit des Beirats hingewiesen. Geplant ist demnach, die Mitgliedschaft einer Rotation zu unterwerfen. Was hat es damit auf sich?

    Ganz unabhängig von einem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit unserer Bundesvereinigung, über den ich nicht spekulieren möchte, ist es ganz objektiv so, dass dieses Rotationsverfahren der Stiftung die Möglichkeit bietet, Mitglieder des Beirats, die ihr nicht genehm sind, wieder loszuwerden. Grundsätzlich zeigt sich in diesem Vorhaben aber eine strukturelle Geringschätzung der Bedeutung der Verfolgtenvertreter für die Gestaltung des Erinnerns. Der Vorschlag, wenigstens jenen Verfolgtenvertretungen eine Dauermitgliedschaft einzuräumen, deren zentrale Erinnerungsorte in Sachsen liegen, wurde abgelehnt. Unser Eindruck ist, dass diese strukturelle Schwächung der Erinnerungspolitik ihrer eventuellen Neuausrichtung unter veränderten politischen Rahmenbedingungen in die Hände spielt.

    Bemerkenswert finde ich die Feststellung in der genannten Erklärung, dass es zwischen der Stiftung und der Bundesvereinigung keine Einigkeit in der grundsätzlichen Bewertung der faschistischen Militärjustiz gibt. Wie ist das zu verstehen?

    Das ist etwas kompliziert. Seitens der Stiftung oder der Leitung in Torgau gibt es dazu keine expliziten Stellungnahmen. Man kann deren Positionierung aber aus anderweitigen Stellungnahmen ableiten. Das Hauptproblem ist unserer Ansicht nach, dass das Thema der NS-Militärjustiz und ihrer verbrecherischen Konsequenzen nicht bis zu dem Punkt einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Militärjustiz entwickelt wird. Die Leiterin in Torgau hat laut einem Zeitungsbeitrag zum Beispiel sinngemäß geäußert, eine Militärjustiz müsse anders als in der Nazizeit heute rechtsstaatlich organisiert sein. Das sei in vielen Ländern nicht der Fall. Die Bundesvereinigung ist anderer Ansicht. Sie lehnt eine Militärjustiz als Sonderjustiz grundsätzlich ab. Eine Militärjustiz schränkt die Rechte von Soldaten grundsätzlich ein, weil sie alle Fälle unter dem Gesichtspunkt militärischer Interessen verhandelt. Eine Militärjustiz entscheidet immer zugunsten des Militärs und der in dem jeweiligen Krieg vertretenen Interessen.

    Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten existiert seit 1994. Seit wann hat die Vereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz dort mitgearbeitet?

    Wir haben von Anfang an mit der Stiftung zusammengearbeitet. Und diese Zusammenarbeit war von Anfang an von Konflikten geprägt.

    Die Konflikte ergaben sich in erster Linie aus unterschiedlichen Vorstellungen von der Konzeption der Dauerausstellung »Spuren des Unrechts« in Torgau?

    Ja. Torgau war während des Zweiten Weltkrieges so etwas wie die Zentrale der NS-Militärjustiz, die an die 30.000 Todesurteile gefällt hat, von denen über 20.000 vollstreckt wurden. Wenn Sie durch Torgau gehen, dann stoßen Sie noch heute auf Schritt und Tritt auf Gebäude, die einen Bezug dazu haben. In Torgau befanden sich das 1943 aus Berlin dorthin verlagerte Reichskriegsgericht, zwei große Militärgefängnisse – Fort Zinna und Brückenkopf –, zwei Feldstraflager und zwei Hinrichtungsstätten. Für die Bundesvereinigung stand und steht unverrückbar fest, dass eine historische Ausstellung in Torgau den Schwerpunkt auf diesen Komplex zu legen hat. Die Stiftung aber macht geltend, dass Fort Zinna, das heute eine Justizvollzugsanstalt beherbergt, von 1945 bis 1949 als Internierungslager der sowjetischen Militärverwaltung und danach als Strafgefängnis in der DDR genutzt wurde. Die Stiftung führt diese Geschichte in »drei Verfolgungsperioden« zusammen – die Nazizeit, die Zeit der sowjetischen Besatzung, die DDR –, die sie als prinzipiell gleichwertig oder gleichgewichtig ansieht. Und das hat die Bundesvereinigung immer grundsätzlich abgelehnt. Entscheidend für unseren Standpunkt ist die Ablehnung dieser Gleichsetzung und der damit stillschweigend vorgenommenen Relativierung der Verbrechen der Nazizeit.

    Woher kommt diese auf Gleichsetzung »der Diktaturen« bedachte Linie der sächsischen Gedenkstättenpolitik?

    Da muss man sich die Debatten in den Jahren nach 1990 in Erinnerung rufen. Dem 1999 beschlossenen Konzept zur Gedenkstättenförderung gingen Auseinandersetzungen über den Umgang mit unterschiedlichen Formen der Verfolgung vor und nach 1945 voraus. Hauptschauplatz dieser Auseinandersetzungen war die Gedenkstätte Buchenwald in Thüringen. Hier gab es, angefangen bei der CDU-geführten Landesregierung, massive Bestrebungen, die unterschiedlichen »Verfolgungsperioden« in einer Dauerausstellung zusammenzuführen. Das ist nicht zuletzt durch den Widerstand von Häftlingsorganisationen und wegen der dadurch drohenden Internationalisierung dieses Konflikts abgewehrt worden. Letztlich wurde für Buchenwald eindeutig entschieden, dass die Zeit des sowjetischen Speziallagers nicht auf einer Ebene und unter einem Dach mit der Geschichte des deutschen Konzentrationslagers verhandelt oder gar gleichgesetzt werden kann.

    In Sachsen lief das ein bisschen anders.

    In der sächsischen Erinnerungs- und Gedenkstättenpolitik hat sich die in der ganzen Bundesrepublik in den 90er Jahren sehr starke Tendenz zur Gleichsetzung durchgesetzt. Es ist wichtig, sich diese Verschränkung von Bundes- und Landesebene klarzumachen, um nicht den Fehler zu machen, das für ein speziell sächsisches Problem zu halten, auch wenn es sich heute in der Zuspitzung wie ein sächsischer Sonderweg darstellt. 2004 gab es den letzten koordinierten Vorstoß aus Kreisen der CDU und CSU, die in Sachsen bereits verbindliche Interpretation des »antitotalitären Konsenses« auf die gesamte Bundesrepublik zu übertragen. Als Protagonist agierte der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bürgerrechtler Günter Nooke, damals kultur- und medienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Diese sogenannte Nooke-Initiative ist gescheitert – auch, weil es zu einer partiellen Distanzierung im konservativen Lager kam. Der Antrag auf eine entsprechende Überarbeitung des Bundesgedenkstättengesetzes wurde wesentlich modifiziert.

    2004 geriet auch die sächsische Gedenkstättenstiftung ins Schlingern.

    Ja. Hier sieht man in der Rückschau sehr deutlich, dass nicht nur unsere Bundesvereinigung ein grundsätzliches Problem mit der sächsischen Linie hatte. Auslöser dieser Zuspitzung war, dass der damalige Vizevorsitzende des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, demonstrativ die Eröffnungsveranstaltung der Leipziger Buchmesse verließ, bei der die lettische Außenministerin Sandra Kalniete mit einer geschichtsrevisionistischen, die Naziverbrechen durch Gleichsetzung relativierenden Rede aufgetreten war. Für den Zentralrat und für die Organisationen der Naziverfolgten war dieser Eklat damals der Anlass, öffentlich deutlich zu machen, dass sie nicht mehr gewillt waren, mit der Kalniete-Rede vergleichbare oder deckungsgleiche Erscheinungen in der sächsischen Gedenkstättenpolitik hinzunehmen. Diese Organisationen, darunter die Bundesvereinigung, setzten die Zusammenarbeit mit der Stiftung für mehrere Jahre aus. 2004 war mit dem Scheitern der Nooke-Initiative und der Zuspitzung des Konflikts in Sachsen also ein wichtiges Jahr für die weitere Entwicklung der Erinnerungspolitik in der Bundesrepublik.

    Wie wurde dieser Konflikt reguliert?

    Durch das offene Eingreifen der sächsischen Landesregierung, die eine Überarbeitung des sächsischen Gedenkstättengesetzes mit dem Ziel der Einebnung der aufgetretenen Widersprüche in Angriff nahm. Politisch musste reagiert werden, weil der Druck zu groß geworden war. Es hatte ja nicht nur die Diskussion um die Stiftung gegeben, sondern etwa auch die Skandale um das – übrigens auch im Stiftungsrat vertretene – Dresdner Hannah-Arendt-Institut, wo man sich zum Beispiel mit der Frage beschäftigt hatte, inwieweit Widerstand gegen Hitler legitim gewesen ist.

    Die Überarbeitung des Gesetzes war ein taktischer Rückzug, um ohne Preisgabe der Grundpositionen die Wogen zu glätten?

    So würde ich das auch sehen. In dem überarbeiteten Gesetz wurde nunmehr die besondere Bedeutung der Verbrechen an den Juden hervorgehoben. Diese besondere Dimension war in dem alten Gesetz nicht benannt worden. Andere sächsische Spezifika blieben aber unverändert erhalten. Zum Beispiel der Umstand, dass in den Gremien der Stiftung Vertreter der vor 1945 Verfolgten und nach 1945 Verfolgten zur Zusammenarbeit gezwungen waren. Mit der zusätzlichen Merkwürdigkeit, dass diejenigen, die sich für die Zeit nach 1945 »zuständig« fühlen, stets ein zahlenmäßiges Übergewicht hatten. Der Vorsitzende des Beirats kam immer aus diesem Spektrum. Dieser Vorsitzende hat den Beirat dann auch im Stiftungsrat vertreten. Das wurde später ein wenig abgemildert, indem man zum Beispiel einen stellvertretenden Vorsitzenden bestimmte.

    Die partielle Überarbeitung des Stiftungsgesetzes wurde dann durch eine interessante internationale Vernetzung aufgefangen.

    Genau. Durch den gleichsam parallel vollzogenen Beitritt der Stiftung zur sogenannten Platform of European Memory and Conscience. Das ist die auf EU-Ebene agierende erinnerungspolitische Pressure Group der Visegrád-Staaten und der drei baltischen Länder, der sich aus Deutschland neben der sächsischen Gedenkstättenstiftung auch die Gedenkstätte Hohenschönhausen und die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft angeschlossen haben. In der programmatischen Deklaration der Platform ist so deutlich wie kaum irgendwo sonst die Gleichsetzung von Naziregime und Sowjetunion postuliert worden. Der um das Jahr 2010 bekundete Reformwillen der Stiftung erwies sich also als ausgesprochen doppelbödig: Manches wurde entschärft, es wurde auch beschlossen, die Ausstellung in Torgau zu überarbeiten, und gleichzeitig wurde durch den Beitritt zur Platform die alte erinnerungspolitische Linie erneut bekräftigt. In der Kommission, die das Gedenkstättenstiftungsgesetz überarbeiten sollte, habe ich auch deshalb gegen den Entwurf gestimmt.

    Wie kann man diese strukturelle Dominanz der Gleichsetzungsfraktion in Sachsen erklären?

    Das liegt daran, dass politische Vertreter dieser Richtung in Sachsen direkt nach 1990, als Posten und Einfluss in Institutionen verteilt, Institute gegründet und Lehrstühle vergeben wurden, den entscheidenden Einfluss ausübten. Es hat da nie einen intellektuellen Wettstreit gegeben. Mir ist keine einzige Programmschrift bekannt, wo das, was in Sachsen über 30 Jahre erinnerungspolitisch vertreten wurde, argumentativ begründet und gerechtfertigt worden wäre. Es wurde einfach gemacht, weil das entsprechende Personal den nötigen institutionellen Einfluss besaß. Das war eine allgemeine Tendenz in der sächsischen Politik, ohne dass mal irgendwer gesagt hätte, so, wir beschließen das jetzt. Die einzige Festlegung war im Grunde die allgemeine Verbindlichkeit der Totalitarismusdoktrin. Verkörpert hat diese Orientierung der 2020 abgelöste Geschäftsführer Siegfried Reiprich, der ja auch den Beitritt zur Platform zu verantworten hatte.

    Wie hat sich diese so beharrlich verteidigte Linie auf Torgau ausgewirkt?

    Die Gleichsetzung der drei genannten Perioden hat de facto dazu geführt, dass die Verfolgungsgeschichte der Opfer der NS-Militärjustiz, auf der laut der anfänglichen Vereinbarungen eigentlich der Schwerpunkt hätte liegen sollen, abgehandelt worden ist auf einem Drittel der Ausstellungsfläche. Das war also nicht einmal mehr eine Gleichsetzung, sondern eine regelrechte Zurücksetzung. Und vor Fort Zinna soll gemeinsam an die Verfolgten von vor und nach 1945 erinnert werden. Die Bundesvereinigung ist der Ansicht, dass man dieses Gedenken nicht ineinander übergehen lassen kann. Nach 1945 saßen dort auch sehr viele Nazitäter ein. Darunter Täter, die im Rahmen der Militärjustiz Menschen malträtiert und getötet haben. Das war für die Bundesvereinigung eine Zumutung. Die Stiftung hat den von uns verlangten expliziten Hinweis auf diese Täter in der Gedenkanlage vor Fort Zinna abgelehnt. Wir wollten dann, dass diese Täter vom Gedenken ausgeschlossen werden. Die Stiftung hat daraufhin für die entsprechende Tafel die Formulierung verwendet, dass hier an unschuldige Opfer aus der Zeit nach 1945 erinnert wird. Das Problem dabei ist, dass viele Täter in der Bundesrepublik im juristischen Sinne bis heute als unschuldig gelten. Die Militärrichter wurden nie bestraft, galten sogar als ehrenwert und haben große Nachkriegskarrieren gemacht – siehe Hans Filbinger. Und viele Urteile der DDR-Justiz gegen Nazitäter – Stichwort Waldheimer Prozesse – wurden pauschal als Unrecht aufgehoben. Da sind explizit Nazitäter formal für unschuldig erklärt worden. Es gibt Leute, für die ist auch der hingerichtete Kommandant des Wehrmachtgefängnisses Fort Zinna ein Opfer des Stalinismus.

    Und die vor fast 15 Jahren beschlossene Überarbeitung der Ausstellung wurde bis heute nicht fertiggestellt?

    So ist es. Das ist ein Skandal für sich. Jetzt soll sie im August fertig werden. Unter dem Strich ist festzuhalten: Vernünftig beteiligt waren wir nie. Ich habe mehrmals gefordert, dass die Bundesvereinigung einbezogen wird in die Überarbeitung. Unser wissenschaftlicher Beirat, dessen langjähriger Vorsitzender Manfred Messerschmidt war, verfügt in diesen Fragen über eine besondere Kompetenz. Und das ist immer abgelehnt worden. Dann wurde nach fast 15 Jahren des Werkelns an dieser Ausstellung vom Geschäftsführer im vergangenen Herbst in einer Sitzung mündlich eine vollständige Veränderung der Konzeption angekündigt, worüber wir vorher in keiner Weise informiert wurden. Wir sehen spätestens nach dieser jüngsten Erfahrung keine Chance, dass wir da in einer sachgerechten Form an den Entscheidungen beteiligt werden.

    Wie geht es für die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz jetzt weiter? Torgau bleibt ja der zentrale Erinnerungsort.

    Wir werden die Auseinandersetzung um eine angemessene Erinnerungskultur weiter führen, nur eben nicht mehr innerhalb der Stiftung. Wir wollen insbesondere auch die Frage beantworten, wie es möglich war, dass sich die beschriebene Politik in Sachsen durchsetzen konnte. Erst wenn solche und andere, damit zusammenhängende Fragen geklärt sind, gibt es wieder eine Grundlage für die Mitarbeit in den sächsischen Institutionen.

    Rolf Surmann ist Historiker und Publizist. Als Mitglied ihres wissenschaftlichen Beirats vertrat er von 2007 bis zu seinem Austritt im März 2024 die 1990 von dem ehemaligen Wehrmachtdeserteur Ludwig Baumann und einigen Mitstreitern gegründete Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e. V. im Beirat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten

    #Allemagne #Saxe #nazis #révisionnisme_historique

  • Faschismus: »Sie wurden zunächst nicht als Opfer anerkannt«
    https://www.jungewelt.de/artikel/473799.faschismus-sie-wurden-zun%C3%A4chst-nicht-als-opfer-anerkannt.html


    Gezeichnet: Häftlinge im Konzentrationslager Sachsenhausen (19.12.1938)

    22.4.2024 von Barbara Eder - Jahrestage der Befreiung von Konzentrationslagern: Auch an die Verfolgung sogenannter Asozialer wird erinnert. Ein Gespräch mit Helga Amesberger

    Sie forschen seit Jahren zur Verfolgung sogenannter Asozialer zwischen 1933 und 1945. Wie wurde diese Personengruppe definiert?

    »Asoziale« wurden als sogenannte Arier kategorisiert, die aber nicht in das Bild des sogenannten Herrenmenschen passten. Dabei handelte es sich zum einen um Frauen und Männer, die mit Strafgesetzen in Konflikt gerieten; zum anderen um Menschen, denen »Arbeitsscheu« oder ein unsittlicher Lebenswandel unterstellt wurde. Auch alkoholkranke und Drogen gebrauchende Menschen wurden in der Nazizeit als »Asoziale« stigmatisiert. In den Konzentrationslagern mussten sie den schwarzen Winkel tragen.

    Worin besteht das Spezifikum dieser Opfergruppe?

    Eine gesetzlich geregelte Definition, wer als »asozial« einzustufen ist, gab es nicht. Die Behörden agierten auf Basis von Erlässen und Verordnungen; sie konnten daher sehr willkürlich vorgehen. Der wichtigste war der Grunderlass von 1937 zur Vorbeugehaft, der es ermöglichte, Personen ohne vorangegangene Straftat zu inhaftieren. Dazu kamen unterschiedliche fürsorgerechtliche Bestimmungen, welche die Einweisungen sowohl in Arbeitsanstalten als auch in Konzentrationslager ermöglichten. Die Richtlinie zur Umsetzung des Gesetzes zur »Verhütung erbkranken Nachwuchses« war dahingehend ebenso relevant. In Allianz von Fürsorge, Arbeitsämtern und Medizin war die Polizei dazu angehalten, dem sogenannten Asozialen-Problem ein Ende zu machen. Begonnen hat dies bereits mit der Machtübernahme der Nazis, die Übergänge waren fließend. Auch vor 1933 bzw. 1938 gab es staatliche Maßnahmen gegen gesellschaftlich Marginalisierte. Betonen möchte ich, dass vorwiegend die verarmten Bevölkerungsschichten von der Bekämpfung des »Asozialen«-Problems betroffen waren.

    Gab es eigene Lager für diese Menschen?

    Personen, die als »Asoziale« verfolgt wurden, wurden zunächst oft in sogenannte Arbeits- oder Arbeitserziehungslager gebracht. In Österreich befanden sich solche für Frauen etwa am Steinhof in Wien, in Znaim und in Klosterneuburg, in Bayern war es der »Wanderhof« Bischofsried. Die inhaftierten Frauen und Männer mussten für Firmen, in der Landwirtschaft oder im Lager selbst Zwangsarbeit verrichten. »Asoziale« wurden jedoch auch in Konzentrationslager deportiert. Junge Frauen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren kamen etwa ins Jugend-KZ Uckermark – im Nazijargon euphemistisch als »Erziehungslager« für Mädchen bezeichnet. Viele von ihnen waren davor in einem »Arbeitserziehungslager«.

    »Asoziale« sind eine Opfergruppe ohne nennenswerte Lobby. Wie verlief der Weg zur Entschädigung nach 1945?

    Nach 1945 haben sich die fürsorgerechtlichen Bestimmungen und der gesellschaftspolitische Blick auf diese Verfolgtengruppe nicht maßgeblich verändert. Diesbezüglich gibt es eine starke Kontinuität, dies spiegelt sich auch in der Anerkennungspolitik: »Asoziale« Menschen wurden nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt, außer sie konnten einen Nachweis erbringen, dass sie beispielsweise auch rassistisch oder politisch verfolgt wurden. In Österreich kam es zu einer schrittweisen Anerkennung mit der Gründung des Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 1995. Im österreichischen Opferfürsorgegesetz wurden aber erst 2005 entsprechende Novellierungen vorgenommen. Nach einer Initiative von Nachkommen von Überlebenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beschloss auch der Deutsche Bundestag im Februar 2020 die Anerkennung von als »Asoziale« oder »Berufsverbrecher« verfolgten Personen. Es dauerte also fünf bzw. acht Jahrzehnte, bis der Unrechtsgehalt der NS-Maßnahmen gegen diese Opfergruppen erstmals hinterfragt wurde. Niemand war zu Recht im KZ – ganz egal, wie das Vorleben einer Person war, ob sie kriminell wurde oder ob sie sich ein anderes Vergehen zuschulden hat kommen lassen. Konzentrationslagerhaft steht immer außerhalb des Rechts und der Gerichtsbarkeit.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Helga_Amesberger

    #Allemagne #Autriche #histoire #nazis #camps #asociaux

  • Staatsumbau - Versammlungsrecht unter Beschuss
    https://www.jungewelt.de/artikel/473532.staatsumbau.html

    Nous sommes exposés à une transformation de l’état bourgeois démocratique en quelque chose de profondément répressif.

    Déjà aujourd’hui chaque association avec d’autres personnes, chaque pensée ouvertement critique à propos du système de plus en plus imtolérant peut nous conduire en prison. Les actes de violence contre les étrangers indésirables comme la militarisation de l’état et de la société sont l’expression de la même volonté de défendre son pouvoir contre les défis prévisibles et craints par la classe dominante.

    Pour le moment nous jouissons encore de quelques droits démocratiques. On essayera de nous les prendra avec l’extension des zones de guerre. Il faut se préparer à la guerre surtout si on y est pour rien.

    16.4.2024 von Arnold Schölzel - In der vergangenen Woche machte das EU-Parlament, dem die wichtigsten Eigenschaften eines Parlaments – Haushaltsrecht und Gesetzesinitiativen – abgehen, aus dem Asylrecht Makulatur. Wer Grundrechte abschafft, dem darf unterstellt werden, dass er generell Willkür an die Stelle des Rechts setzen will. Der zeitgenössische bürgerliche Staat tendiert dorthin, in DKP-Dokumenten wird das präzise als »reaktionär-militaristischer Staatsumbau« beschrieben. Beispiele: Das Wiederaufleben der »Schutzhaft«, die nicht mehr so heißt, in deutschen Polizeigesetzen des vergangenen Jahrzehnts oder die Erfindung der »Clankriminalität« durch Innenminister und ihre Dienste sind Symptome. Krisen machen die Sicherheitsapparate nervös, bei Anordnung von Kriegstüchtigkeit aber werden Grund- und Bürgerrechte zunächst fallweise aufgehoben. Da bleibt noch Spielraum für eine Notstandsordnung, die längst in Planung ist. Wenn das Militär pflicht- und neigungsgemäß bereits die Zertrümmerung strategischer Ziele in Russland mit TAURUS-Marschflugkörpern durchspielt, haben die Polizeipräsidenten sich Gedanken über die »Ordnung« im Hinterland zu machen.

    Ein Probelauf war am Freitag die deutsch-hauptstädtische Variante des Verbots einer Versammlung in geschlossenen Räumen: Der Palästina-Kongress wurde zunächst in einen Polizeikongress umgewandelt, woraufhin die sich in der Mehrheit sehenden Uniformierten das Ende der Veranstaltung beschlossen. Straftaten hatte es nach ihren Angaben nicht gegeben, Verbote für Videovorträge haben keine gesetzliche Grundlage, Strom- und andere Versorgung abzusperren war zuletzt als Variante israelischer Kriegführung gegen Palästinenser genutzt worden, das Einreiseverbot für irgendwelche Ausländer, zumal Nichtweiße, wurde allerdings schon im Januar zur Rosa-Luxemburg-Konferenz geprobt. Das ist noch ausbaufähig. Nach dem Asylabschaffungsbeschluss des EU-Parlaments stehen demnächst 120.000 Haftplätze für solche Leute zur Verfügung, da ist dann mehr Platz. Überm Eingang könnte »Humanität und Ordnung« stehen, der Gruß Annalena Baerbocks für Rechtlose an EU-Grenzen.

    In Brüssel klappt das alles nicht so wie im deutschen Osten: Da hebt ein Gericht das Versammlungsverbot gegen eine Konferenz von Ultrarechten, das ein Bürgermeister ausgesprochen hat, einfach auf. Kann in Berlin nicht passieren, wo seit einem halben Jahr fortgesetzt das Recht, für Solidarität mit Palästina einzutreten, eingeschränkt und ausgehebelt wird. Auch wenns schwerfällt: Gut, dass die Brüsseler Versammlung stattfinden durfte. Die Rednerliste besagt: Unappetitlich und peinlich sagten sich guten Tag – Hans-Georg Maaßen, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Gloria von Thurn und Taxis usw. Was ist ein Auftritt dieser bräunlichen Würstchen gegen die Lieferung eines TAURUS nach Kiew oder die Stationierung von 5.000 deutschen Soldaten an der russischen Grenze? Jedenfalls kein Staatsumbau.

    #Allemagne #Europe #démocratie #guerre

  • Siedlerterror: Hass in den Augen
    https://www.jungewelt.de/artikel/473332.siedlerterror-hass-in-den-augen.html

    15.4.2024 von Anne Herbst, Ramallah - Siedlermobs morden und brandschatzen im Norden des Westjordanlands

    Dichte Rauchschwaden stiegen am Freitag nachmittag bei pogromartigen Ausschreitungen gegen palästinensische Dörfer auf. Bis an die Zähne bewaffnete Siedlerhorden fielen in Al-Mughayyir, Al-Mazra‘a ash-Sharqiya, Khirbet Abu Falah, Turmus Ayya und weitere Orte, darunter auch Flüchtlingslager wie Al-Jalazoon, im Regierungsbezirk Ramallah, und Al-Bireh ein. Sie eröffneten das Feuer und warfen Steine auf die Bewohner, zündeten Häuser und Autos an. Angriffe gab es auch in der Umgebung von Nablus. »Kinder, Alte und andere Bewohner flohen aus Angst vor dem Terror und übernachteten in der Kälte in den Bergen«, berichtet ein palästinensischer Aktivist, der seit Jahren zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Besatzung organisiert, aus Tubas gegenüber jW.

    Sogar auf israelische Journalisten wurde Jagd gemacht. »Sie brachen mir die Finger und verbrannten meine Ausrüstung«, so Shaul Golan, ein Fotograf, der unter anderem für die Tageszeitung Jedi’ot Acharonot arbeitet, über Siedlerattacken in Duma. Die Angreifer warfen den 70jährigen Mann zu Boden, traten ihn gegen den Kopf und in den Magen. »Sie hatten Hass in ihren Augen«, sagt Golan. Als er israelische Soldaten um Hilfe rief, musste er feststellen, dass diese zu dem 20- bis 30-köpfigen Lynchmob gehörten. Kein Einzelfall. Dass die Siedler bei ihren Aktionen nicht mehr nur Rückendeckung von den Besatzungsstreitkräften bekommen, sondern mit diesen gemeinsam – häufig in IDF-Uniformen – agieren, wird seit Monaten verstärkt aus allen Teilen des Westjordanlands vermeldet.

    Einige Bewohner von Orten, die von Siedlertrupps, später auch von regulären israelischen Einheiten umzingelt oder gestürmt wurden, verbreiteten via Smartphonevideos verzweifelte Aufrufe zum militanten Widerstand. In der Nacht zum Sonntag rissen Palästinenser ein von der Besatzerarmee nach dem 7. Oktober errichtetes Eisentor nieder. Sie stießen über die Straße von Al-Bireh in Nachbarorte vor, um diese gegen die Siedler zu verteidigen.

    Bisher hat das Gesundheitsministerium der Palästinensischen Nationalbehörde zwei Tote registriert. Die Zahl der Verwundeten ist unbekannt, dürfte aber bei mehreren Hundert liegen – viele sollen Schussverletzungen erlitten haben. Die rechten Gewaltexzesse könnten sich in der gesamten Westbank wie ein Lauffeuer ausbreiten – die Siedler haben zum Sturm auf die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem aufgerufen. »Die Angriffe sind geplant und organisiert, ihr eigentliches Ziel ist ethnische Säuberung«, meint Mustafa Barghouti, Generalsekretär der Palästinensischen Nationalen Initiative, der als Nachfolger vom Mahmud Abbas gehandelt wurde.

    Zwar gibt es mit dem Tod eines 14jährigen israelischen Hirtenjungen aus der zionistischen Siedleraußenposten Malachi Hashalom in der Nähe von Ramallah, der mutmaßlich von Palästinensern ermordet wurde (der israelische Geheimdienst Schin Bet ermittelt noch), einen Anlass für die Eskalation, doch seit die ultrarechte Netanjahu-Regierung mit Beteiligung von fanatischen Kahanisten an der Macht ist, findet eine Entgrenzung der Siedlergewalt statt.

    In Turmus Ayya gebe es wöchentlich Zwischenfälle, erklärte Lafe Shalapy, Bürgermeister des Dorfes im Interview mit jW. So hatte am 21. Juni 2023 ein Mob – den Anhängern der berüchtigten »Hügeljugend« zugerechneten – von 300 bis 400 Rechtsradikalen aus der benachbarten Siedlung Schilo 30 Häuser niedergebrannt, 60 Fahrzeuge abgefackelt, einen Mann erschossen und weitere 15 Bewohner verletzt. Er habe die zuständige israelische Polizei und Armee aufgefordert, die Gewalt zu stoppen. Aber statt die Zivilisten zu beschützen, hätten die Soldaten die Zufahrtswege blockiert und die Ambulanz und Feuerwehr an der Durchfahrt gehindert, so Shalapy. »Sie wollen uns das ganze Land wegnehmen, um darauf ihre Häuser zu bauen und Schilo auszuweiten.«

    Am Sonntag nachmittag waren noch einige Dörfer von der Armee eingeschlossen. Die Siedlerbanden haben sich aber weitgehend zurückgezogen. »Das ist nur vorübergehend wegen des Drohnen- und Raketenangriffs aus dem Iran«, so die Einschätzung von Nasser Sharayaa, Generaldirektor des Exekutivbüros des Volkskomitees für Flüchtlinge gegenüber jW. »Die Lage ist nach wie vor schlimm.«

    #Israël #Jordanie #Palestine #terrorisme #colons

  • Ruanda - Der Opfer gedacht
    https://www.jungewelt.de/artikel/472840.ruanda-der-opfer-gedacht.html

    Il y a 30 ans au Rwanda commence le massacre des Tutsis.

    8.4.2024 - Der ruandische Präsident Paul Kagame (Foto) hat am Sonntag bei der zentralen Gedenkfeier 30 Jahre nach dem Völkermord aufgerufen, Lehren aus der Tragödie seines Landes zu ziehen. Am 7. April hatten Hutu-Milizen nach einer monatelangen, von der Regierung gesteuerten Hasskampagne gegen die ethnische Minderheit der Tutsi mit dem Morden begonnen. Innerhalb von nur 100 Tagen wurden mindestens 800.000 Menschen getötet. Kagame, der seit knapp 24 Jahren an der Macht ist, regiert das rohstoffreiche ostafrikanische Land autoritär und pflegt beste Beziehungen zum Westen.

    #Rwanda #génocide

  • Cop Culture - Vorsicht vorm Reiter!
    https://www.jungewelt.de/artikel/467804.cop-culture-vorsicht-vorm-reiter.html


    Reiterstaffeln gehören in Deutschland seit 200 Jahren zum öffentlichen Erscheinungsbild der Polizei. Wer schon einmal bei einem Fußballspiel oder bei einer Demonstration war, weiß, wie gefährlich die auf dem Bild so nett und freundlich daherkommenden Damen und Herren hoch zu Ross sind (Hannoveraner Reiterstaffel)

    Cop Culture ist Gewalt. Taxikultur ist? Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich, denn bislang gibt es Taxikultur nur als disparates Versatzstück. In diesem Artikel wird Cop Culture am Beispiel der Tierquälerei begangen an Dienstpferden vorgestellt.

    23.01.2024 von Michael Kohler - Tierquälerei gehört in der Ausbildung von Polizeipferden zum Alltag. Über ein besonderes Mittel staatlicher Repression und die dahinter stehende Kultur der Gewalt.

    In Mannheim stehen zwei Polizisten der lokalen Reiterstaffel »wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz« vor Gericht. Am Donnerstag, dem 7. Dezember 2023, hatte die Hauptverhandlung mit der Verlesung der Anklage begonnen, musste aber wegen Erkrankung einer Sachverständigen vertagt werden. Die Anklage bezieht sich nicht nur auf ein einzelnes Ereignis, sondern auf insgesamt fünf Taten zwischen Winter 2019 und Ende 2021.

    Während des »Einsatztrainings« der Pferde sollen die Beamten die Taten unabhängig voneinander an zwei Dienstpferden namens Camillo und Corleone begangen haben. In der Anklage ist die Rede von einer »gefühllosen und fremdes Leiden missachtenden Gesinnung«. Der Staatsanwalt nennt zunächst mindestens fünf gegen ein Dienstpferd »mit großer Kraft und Reichweite ausgeführte Schläge«, die bei dem Pferd »erhebliche Schmerzen« verursachten. Weiterhin kam es zu Schlägen mit der flachen Hand gegen den Hals, wobei dem Pferd »aus Rohheit erhebliche Schmerzen« zugefügt wurden. Einem Pferd wurde ein sogenannter Klappersack umgehängt, was ein »erhebliches Leiden« verursachte. Das Tier geriet in Panik und rannte »aus Angst ununterbrochen und bis zur Erschöpfung«. Schließlich wurde ein Futtertrog mehrere Tage lang mit Pfefferpaste eingerieben, um dem Pferd eine »Verhaltensauffälligkeit« abzugewöhnen. Das Pferd hatte an dem Trog geknabbert. Das letzte den Beamten vorgeworfenen Delikt sind mit großer Kraft ausgeführte Schläge mit der Reitgerte. Dadurch wurde das Pferd ebenfalls panisch, stellte sich auf die Hinterbeine und versuchte, durch eine Öffnung zu fliehen. Es konnte erst nach mehreren Tagen beruhigt werden.

    Wer die Anzeige stellte, ist nicht bekannt, es verlautete lediglich, dass es eine Beschwerde gab. Aber die Umstände lassen vermuten, dass diese Beschwerde aus den Reihen der Polizei selbst kam, dass irgendwann eine Kollegin oder ein Kollege die tierquälerischen Handlungen nicht mehr mit ansehen wollte oder konnte.

    Kein Disziplinarverfahren

    Zur Verhandlung kam es, weil beide Beamte Einspruch gegen erlassene Strafbefehle eingelegt hatten, über deren Rechtsfolgen keine Auskunft erteilt wurde. Bislang hat sich vor Gericht keiner zur Sache geäußert. Beide sind nach Mitteilung des Polizeipräsidiums noch bei der Mannheimer Reiterstaffel beschäftigt. Es wurde kein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet. Das Polizeipräsidium teilte hierzu mit, das solle erst »nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens abschließend geprüft« werden. Eine aus zwei Gründen suspekte Entscheidung: Erstens ist ja mit dem Erlass eines Strafbefehls die strafrechtliche Ermittlung zunächst abgeschlossen (auch wenn sie in der Verhandlung wieder aufgenommen werden kann). Und zweitens sind die beiden Pferde so weiterhin der Gefahr von Misshandlungen ausgesetzt.

    Die den Beamten vorgeworfenen Taten verstoßen gegen Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes: »Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.«

    Aus der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Studie »Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen«¹ ergibt sich, dass nicht einmal jeder tausendste Fall illegaler Polizeigewalt eine Verurteilung vor Gericht nach sich zieht. Diese Schätzung bezieht sich auf Zahlen aus dem Jahr 2021, in dem es bei 2.790 einschlägigen Verfahren in lediglich 27 Fällen zu einer Verurteilung kam. Nur etwa 14 Prozent der Fälle werden aber überhaupt angezeigt, und nur bei zwei Prozent der angezeigten Fälle wird Anklage erhoben. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die Verhältnisse anders liegen, wenn Polizeigewalt sich statt gegen Menschen gegen Tiere richtet.

    Im Westflügel des Mannheimer Schlosses, in dem die Verhandlung stattfand, ist auch die juristische Fakultät der Universität Mannheim untergebracht. Dort macht seit vielen Jahren Jens Bülte auf die »faktische Straflosigkeit institutionalisierter Agrarkriminalität« aufmerksam. Das Stichwort »Agrarkriminalität« vermag mancherlei Assoziationen zu wecken, Bülte aber geht es vor allem um Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Er stellt fest: »Eine ernsthafte Bekämpfung gravierender, systematischer, institutionalisierter und strafbarer Verletzungen des Tierschutzrechts, der organisierten Agrarkriminalität, findet noch nicht statt. (…) Wer eine Tierquälerei begeht, wird bestraft, wer sie tausendfach begeht, bleibt straflos und kann sogar mit staatlicher Subventionierung rechnen.«²

    Wenn also sowohl polizeiliche Gesetzesverstöße als auch Tierquälerei in aller Regel ohne rechtliche Folgen bleiben, wäre es erstaunlich, wenn die beiden Mannheimer Polizisten verurteilt würden. Aber selbst wenn das der Fall wäre, würden die zugrundeliegenden Problembereiche weiterhin bestehen:

    – Die Ausbildung, das Einsatztraining und der Einsatz von Polizeipferden sind mit dem Tierwohl völlig unvereinbar.

    – Reiterstaffeln sind historisch und kulturell Ausdruck eines reaktionären und repressiven, obrigkeitsstaatlichen Polizeiverständnisses. Sie führen zudem im Ernstfall eher zur Eskalation als zur Vermeidung von Gewalt.

    – Die »Cop Culture«, die Alltagskultur »handarbeitender« Polizisten, ist geprägt von einem kriegerischen, auf Dominanz und Durchsetzung ausgerichteten Selbstbild. Das begünstigt Gewaltaffinität und die Tendenz, dass legales und legitimes Verhalten nicht als deckungsgleich betrachtet werden und stellt somit eine weitere Gefahr für das Wohl sogenannter Dienstpferde (und -hunde) dar.

    – Auch falls künftig mehr auf das Wohlergehen von Polizeipferden geachtet werden sollte, würde die »Agrarkriminalität«, die millionenfache extreme Tierquälerei in der Massentierhaltung weiterhin bestehenbleiben.
    Grundlage der Ausbildung

    Pferde sind Fluchttiere. Es ist ihnen angeboren, entspricht ihrem Wesen und ihrer Art, bereits bei schwachen Reizen die Flucht zu ergreifen, sei es ein ungewohntes Rascheln, eine schwer einzuordnende Bewegung oder ein unbekanntes Geräusch. Derlei Reize führen bei einem Pferd unmittelbar zu einer enormen Stressreaktion mit Adrenalinausschüttung, die in kürzester Zeit den gesamten Bewegungsapparat, das Herz-Kreislauf- und das Atmungssystem auf Höchstleistung einstellt und das Tier dazu befähigt, die Fluchtreaktion auszuführen. Die Stressreaktion muss so massiv und abrupt erfolgen, weil in der Natur ein einziges »Versagen« den Tod bedeuten kann.

    Die Ausbildung dieser sehr sensiblen Tiere hat nur ein Ziel: Sie sollen ihre natürlichen, ihrer Art entsprechenden Fluchtreflexe unterdrücken und sich statt dessen dem Willen des 80 Kilo schweren Primaten unterordnen, der sich – was ebenfalls ihrer Natur und ihrer Art widerspricht – auf ihren Rücken gesetzt hat. Das »Training« führt nur dann zum Ziel, wenn das Tier einerseits lernt, Vertrauen zu einem Menschen zu entwickeln, und wenn andererseits die Intensität der angstauslösenden Reize, denen das Tier ausgeliefert wird, systematisch gesteigert wird. Zu diesem Zweck imitieren Polizisten das Verhalten von Fußballfans bzw. Demonstranten, sie schwenken Fahnen, brüllen, schlagen, trommeln, legen Feuer und setzen sogar Pyrotechnik ein. Die Polizisten geben selbst zu: »Die Böller sind für die Tiere am schlimmsten.«³ Sobald das Pferd seinem natürlichen Verhalten folgend zurückweicht, wird Zwang eingesetzt in Form von Schlägen mit der Gerte oder der flachen Hand. In offiziellen Darstellungen wird seitens der Polizei stets behauptet, die Ausbildung erfolge konsequent gewaltlos, gegenüber den Medien aber haben die Polizisten weniger Hemmungen und berichten offen, dass sie die Tiere schlagen, damit sie gehorchen. Dass die Pferde systematisch Lärm, Feuer, Böllern und anderen angstauslösenden und potentiell traumatisierenden Reizen ausgesetzt werden, wird offensichtlich weder von der Polizei noch von den Medien überhaupt als Gewalt angesehen. Physiologische Messungen zeigen: Auch wenn die Tiere äußerlich ruhig sind, ist ihre Angst ungemindert und der Spiegel der Stresshormone und die Herzschlagfrequenz sind entsprechend hoch. Auch körpersprachlich kommt das zum Ausdruck, etwa in angelegten Ohren, geweiteten Augen oder hochgezogenen Lefzen. Der Polizei ist dies nicht unbekannt. So sagte Hans-Peter Sämann, Leiter der Stuttgarter Reiterstaffel zur Stuttgarter Zeitung: »Innerlich sind die Pferde schweißgebadet, aber sie dürfen sich das niemals anmerken lassen.«⁴

    Ich glaub, mich tritt ein ...

    In den deutschsprachigen Ländern sind Reiterstaffeln Auslaufmodelle, deren Wert sich darauf zu beschränken scheint, als obrigkeitsstaatliches Prestigesymbol zu fungieren. Außerdem sind Reiterstaffeln teuer: Anschaffung, Unterbringung, Futter, ärztliche Betreuung und Transporte kosten viel Geld, vor allem aber schlagen Personalkosten zu Buche. Bevor sie einsetzbar sind, müssen die sogenannten Remonten ein bis zwei Jahre lang täglich »trainiert« werden und auch bei älteren Pferden findet jede Woche ein »Einsatztraining« statt, bei dem nicht nur die Reiterinnen – inzwischen sind es überwiegend Frauen – beschäftigt sind, sondern auch Gruppen von Beamten, die als »Demonstranten« oder »Fußballfans« Krawalle vorspielen.

    In Österreich gab es nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch in Graz berittene Polizei, die jedoch schon 1950 aufgelöst wurde. Am 15. Juli 1927 starben beim Brand des Wiener Justizpalastes infolge des Einsatzes berittener Polizei mindestens 84 Arbeiter: Im Januar desselben Jahres waren bei einer Protestveranstaltung des sozialdemokratischen Schutzbundes gegen eine Veranstaltung rechtsextremer Frontkämpfer ein Kriegsinvalide und ein sechsjähriges Kind von Frontkämpfern erschossen worden. Die drei Schützen wurden umgehend verhaftet, am 14. Juli jedoch freigesprochen, was am nächsten Tag in Wien eine große, zunächst friedliche Demonstration auslöste, die aber von mit Gewehren bewaffneter berittener Polizei angegriffen wurde. Bei der dadurch ausgelösten Eskalation wurde der Justizpalast in Brand gesetzt.

    Im Jahr 2018 wollte der rechtsextreme FPÖ-Innenminister Herbert Kickl wieder eine Polizeipferdeeinheit gründen, was jedoch auf heftige und hartnäckige Proteste vor allem von Tierrechtsgruppen stieß. Als Generalsekretär der FPÖ geriet Kickl in den Strudel der Ibiza-Affäre um den FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und wurde als Minister entlassen. Damit endete auch das Prestigeobjekt Reiterstaffel, in dessen Vorbereitung bereits 2,5 Millionen Euro geflossen waren.

    In Deutschland gibt es neben einer Reiterstaffel der Bundespolizei mit 25 Pferden nur noch in sieben Bundesländern berittene Polizei: in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und in Sachsen. In Bayern werden seit dem ersten Söder-Aiwanger-Kabinett 2018 gemäß dem Koalitionsvertrag die Reiterstaffeln ausgebaut, von damals 35 auf derzeit 68 »Dienstpferde«. Geplant sind 100.

    Wo die Pferde nicht nur zum Repräsentieren eingesetzt werden, kann es schnell sehr gefährlich für Mensch und Tier werden. Bei Protesten gegen den Castor-Transport im November 2011 im Wendland wurde mindestens ein Dutzend Demonstranten von Pferden überritten. Wie durch ein Wunder gab es keine Toten. Extrem gefährlich ist es, wenn mit Pferden durch eine Menschenmenge hindurchgeritten wird. Hierzu liegen Dutzende Berichte von schweren Verletzungen vor.

    »Cop Culture«

    Rafael Behr schob fünfzehn Jahre lang in Frankfurt Dienst als Polizist, bevor er damit begann, Soziologie zu studieren. Heute ist er Professor für Kriminologie und Soziologie an der Akademie der Polizei in Hamburg und einer der prominentesten deutschen Kriminologen und Polizeiwissenschaftler. Besonders bekannt wurde er durch den von ihm aus dem US-amerikanischen entnommenen Begriff der »Cop Culture«, den er auf seine Übertragbarkeit auf die deutsche Polizei überprüfte und weiterentwickelte. Er beruft sich dabei auch auf den von der feministischen Pädagogin, Psychologin und Rechtsextremismusforscherin Birgit Rommelspacher entwickelten Begriff der Dominanzkultur. Behr konstatiert eine »Renaissance aggressiver Maskulinität in der Polizei«,⁵ wobei er zwischen Polizeikultur und Polizistenkultur unterscheidet. Beide Kulturkonzepte beinhalten bestimmte, jeweils unterschiedlich gewichtete Tugenden wie Disziplin, Teamgeist, Toleranz, Loyalität usw. Sie implizieren auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, wann und in welchem Ausmaß Gewalt angewendet werden darf oder muss.

    Polizeikultur ist ein Bündel von handlungsleitenden, aber eher abstrakten Wertvorstellungen, das in der Ausbildung gelehrt und für die intensiv betriebene PR und andere Formen der Außendarstellung verwendet wird. Sie orientiert sich strikt an der Legalität. Nach der Polizeischule begegnet der junge Polizist oder die junge Polizistin jedoch in der Regel der Aufforderung: »Jetzt vergiss mal alles, was du in der Ausbildung gelernt hast!« Nach dem Erlernen der offiziellen und eher abstrakten Polizeikultur beginnt die Ausbildung in der eher informellen und konkreten Polizistenkultur, die Rafael Behr auch »Cop Culture« nennt. Sie legitimiert sich aus einem sogenannten Alltagswissen oder Erfahrungswissen, das das sogenannte Bücherwissen der Ausbildung als weltfremd und wenig praxistauglich abwertet. In der »Cop Culture« gelten bestimmte Praktiken als legitim, die nicht mehr ganz legal oder sogar völlig illegal sind. Fast immer sind es Männer, die hier auch illegales Verhalten für angebracht halten. Bei polizeilichen Gewaltexzessen und Machtmissbräuchen geht es immer auch um Männlichkeitsnormen. In der »Cop Culture« geben diese vor, dass es in alltäglichen Einsatzsituationen um Sieg oder Niederlage geht, das ›polizeiliche Gegenüber‹ wird zum Gegner, dem unbedingt mit Dominanz und Überlegenheit begegnet werden muss, eventuell auch mit Hilfe von Demütigungen.

    Diese Polizistenkultur wird intensiv und kontinuierlich sowohl durch das Kollegium als auch durch Vorgesetzte an die jungen Polizistinnen und Polizisten herangetragen. Es ist so gut wie unmöglich, sich diesem Einfluss zu entziehen oder gar entgegenzustellen. Klassische sozialpsychologische Studien können uns ein Verständnis dafür vermitteln, wie weitgehend unter diesen Bedingungen sowohl das Verhalten als auch die Einstellungen bestimmt werden.

    Die Versuchsanordnung des sehr bekannt gewordenen Milgram-Experiments von 1961 beispielsweise bestand darin, dass ein »Lehrer« nach Anweisungen eines »Versuchsleiters« einem »Schüler« bei einem Fehler in schwierigen Rechenaufgaben Stromschläge versetzen sollte, deren Intensität nach jedem weiteren Fehler um 15 Volt gesteigert wurde. Die Stromschläge erfolgten nicht real, sowohl der »Versuchsleiter« als auch der »Schüler« waren Schauspieler, der die vermeintlichen Stromschläge verabreichende »Lehrer« war, ohne es zu wissen, die eigentliche Versuchsperson. Getestet werden sollte der Gehorsam gegenüber den Anweisungen einer Autorität, hier des »Versuchsleiters«. In dem Versuch wie auch in Dutzenden Wiederholungen und Variationen folgten erschreckende 95 Prozent der »Lehrer« den Anweisungen und dem Drängen des »Versuchsleiters« und steigerten die vermeintliche Stromstärke bis auf 450 Volt; obwohl die »Schüler« darum bettelten, abzubrechen, stärkste Schmerzen äußerten wie extreme Qualen zeigten und, schon bevor die 450 Volt erreicht wurden, überhaupt keine Lebenszeichen mehr von sich gaben.

    Mehr Härte

    Viele andere Versuche, wie etwa die von Solomon Asch zum Konformitätsdruck von 1951 oder das berühmt-berüchtigte Stanford-Gefängnis-Experiment von Philipp Zimbardo von 1971 und weitere Studien, die bis in die 1930er Jahre zurückgehen, liefern unabweisliche wissenschaftliche Belege dafür, dass und in welchem Ausmaß obrigkeitliche Macht dazu neigt, sich zu verfestigen, zu verselbstständigen und zu brutalisieren. Sie belegen eindringlich, wie unabdingbar es ist, staatliche Gewalt zu kontrollieren und einzugrenzen und potentielle Opfer zu schützen.

    »Cop Culture« breitet sich jedoch aus und verfestigt sich in Deutschland durch die seit einigen Jahren bestehende Tendenz, von der Polizei eine größere Härte zu verlangen. Schon 2018 veröffentlichte Spiegel online ein internes Strategiepapier der nordrhein-westfälischen Polizei, in dem u. a. ein »robusteres Auftreten« der Polizei gefordert wurde. In den 1980er und 1990er Jahren war die Devise gewesen: »Kommunikation, solange irgendwie möglich!« Sie wird nach und nach ersetzt durch die Devise: »Einschreiten, so konsequent wie möglich!« Wenn nötig eben auch mit Hilfe von Pferden.

    Anmerkungen

    1 https://kviapol.uni-frankfurt.de

    2 https://www.jura.uni-mannheim.de/media/Lehrstuehle/jura/Buelte/Dokumente/Veroeffentlichungen/Buelte__Zur_faktischen_Straflosigkeit_institutionalisierter_Agrark

    3 https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.training-der-reiterstaffel-in-stuttgart-boeller-sind-fuer

    4 Ebd.

    5 Rafael Behr: »Die Polizei muss … an Robustheit deutlich zulegen«. Zur Renaissance aggressiver Maskulinität in der Polizei. In: Daniel Loick (Hg.): Kritik der Polizei, Frankfurt/New York 2018, S. 165–178

    Michael Kohler schrieb an dieser Stelle zuletzt am 5. Januar 2024 über Polizisten, die zur Waffe greifen.

  • NATO 75 Jahre - Langzeitkrieg gegen Russland
    https://www.jungewelt.de/artikel/472615.nato-75-jahre-langzeitkrieg-gegen-russland.html

    L’OTAN c’est l’organisation responsable pour une guerre perpétuelle d’abord anticommuniste puis simplement impérialiste, d’abord froide puis chaude à partir de 1999. Nos dirigeants se félicitent de cette tradition, nous depuis 75 ans on paie pour leur armes.

    4.4.2024 von Arnold Schölzel - Vor 75 Jahren wurde das westliche Kriegsbündnis gegründet. Dessen Außenminister beraten über Zusatzhilfen für Kiew im Krieg gegen Russland

    Ihr 75. Gründungsjubiläum an diesem 4. April begeht die North Atlantic Treaty Organization (NATO) ähnlich wie 1949. Die damals zwölf Mitgliedstaaten – darunter das faschistische Portugal, Frankreich einschließlich der Kolonie Algerien und Großbritannien mitsamt der Kolonie Malta – ordneten sich dem US-Konzept des »Roll Back« unter. Die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs in Europa sollten rückgängig gemacht werden – auch mit Atomwaffen. Europa war zu jener Zeit und ist auch heute laut US-Doktrin als atomares Schlachtfeld vorgesehen – nun in einer möglichen Auseinandersetzung mit Russland. Der diente auch die Gründung der BRD wenige Wochen später im Mai 1949.

    Denn die NATO blieb nach Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation und der Sowjetunion 1991 erhalten. Die USA, die sich nun als einzige Weltmacht sahen, bezogen spätestens 1999 beim völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, mit dem erstmals seit 1945 Grenzen in Europa mit Gewalt neu gezogen wurden, die sogenannten Verbündeten direkt in ihre endlosen Feldzüge ein. Seit jenem Jahr ist die NATO ein Kriegsführungspakt und rüstet entsprechend auf. Ihre heute 32 Mitgliedstaaten gaben 2023 für Militär rund 1,3 Billionen US-Dollar aus, die USA davon rund 880 Milliarden Dollar (Russland etwa 85 Milliarden, VR China rund 230 Milliarden, Welt laut SIPRI insgesamt 2,24 Billionen). Die USA unterhalten zudem bis zu 1.000 Militärbasen auf dem Globus, und die NATO erhebt Anspruch auf militärische Einmischung im Indischen und im Pazifischen Ozean.

    Im Zeichen solcher Aggression und Expansion versammelten sich am Mittwoch die NATO-Außenminister in Brüssel. An diesem Donnerstag kommen ihre Kollegen aus Neuseeland, Australien, Japan und Südkorea sowie der Ukraine hinzu. Im Mittelpunkt steht die Verlängerung des Stellvertreterkrieges gegen Russland auf unabsehbare Zeit. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete vor Beginn des Treffens die militärische Lage für die Ukraine als »ernst« und schlug einen Fünf-Jahres-Fonds vor, dessen Umfang laut Medienberichten 100 Milliarden Euro betragen soll: »Wir müssen der Ukraine langfristig verlässliche und vorhersehbare Sicherheitshilfe gewähren, so dass wir uns weniger auf freiwillige Beiträge und mehr auf NATO-Verpflichtungen verlassen.« Polen und Kanada äußerten bereits Unterstützung, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, wichtig sei, »die Prozesse zwischen EU und NATO« nicht zu verdoppeln. Laut Stoltenberg wird die Ukraine auf jeden Fall NATO-Mitglied, es gehe nicht mehr um das »Ob«, sondern nur noch um das »Wann«.

    #OTAN #Russie #impérialisme #guerre

  • Broschüre »Mythos#Israel 1948« : »Das Papier ist reine Propaganda« 
    https://www.jungewelt.de/artikel/472419.brosch%C3%BCre-mythos-israel-1948-das-papier-ist-reine-propaganda.h


    Vertrieben : Frauen und Kinder aus dem arabischen Fischerdorf Tantura (1948)

    Le déni obsessionnel règne - à Berlin l’assemblée citoyenne (Bezirksverirdnetenversammlung) de l’arrondissement de Neukölln essaie d’imposer un pamphlet qui défend la thèse du pays sans peuple pour un peuple sans pays à l’enseignement scolaire. Comme par hasard Neukölln est la résidence de la plus grande communauté palestinienne d’Allemagne. On va emcore s’amuser avec ces amis de l’état sioniste.

    2.4.2024 von Jamal Iqrith - Berlin-Neukölln empfiehlt geschichtsverfälschende Broschüre zu palästinensischer Nakba für Schulen. Ein Gespräch mit Ahmed Abed

    Die Bezirksverordnetenversammlung, kurz BVV, von Berlin-Neukölln hatte am 21. Februar beschlossen, die Broschüre »Mythos#Israel 1948« an Schulen einsetzen zu lassen. Bei einer BVV-Sitzung vor zwei Wochen war sie erneut Thema. Worum ging es zuletzt?

    Wir haben als Linksfraktion nachgefragt, ob diese Broschüre tatsächlich vom Bezirksamt beworben wird. Zweitens wollten wir wissen, ob das Amt der Meinung ist, dass die Benennung des israelischen Landraubs »antisemitisch« sei, wie in der Broschüre behauptet wird. Die Antwort war, dass man das in der Tat so sehe. Daraufhin habe ich nachgefragt, ob noch auf andere Weise die rechte Landraubpolitik durch das Bezirksamt unterstützt wird und ob sich die Bezirksstadträtin Karin Korte an das Völkerrecht gebunden fühlt.

    Wie lautete die Antwort?

    Auf die Frage nach der Unterstützung des Landraubs durch die Berliner Behörde sagte sie »nein«, aber sie sei »auch nicht die Außenministerin«. Ob sie sich an das Völkerrecht gebunden fühlt, wollte sie nicht beantworten. Vielleicht hatte sie Angst.

    Ihre Fraktion fordert, die Verbreitung und Nutzung der Broschüre zu verhindern. Warum?

    Die Broschüre »Mythos#Israel 1948« liest sich so, als ob sie von den rechtesten israelischen Politikern geschrieben worden sei. Die Nakba, also die Katastrophe der Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung mit der Vertreibung von Hunderttausenden und Entrechtung, die bis heute andauert, wird geleugnet. Die Gewalt, die während der Nakba gegen Palästinenser ausgeübt wurde, wird verharmlost. Organisationen wie die terroristische »Hagana«, die zahlreiche Massaker beging und später in die israelische Armee eingegliedert wurde, werden als ganz normale Organisation dargestellt. Das ist ein reines Propagandapapier!

    Wer hat die Texte verfasst?

    Der Text kommt von Masiyot e. V., einem »gemeinnützigen« Verein. Die Leute dort kommen aus einem politischen Spektrum, wo Palästinenser nur als Störfaktoren behandelt werden. Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung hat das Projekt gefördert, auf Nachfrage aber zugegeben, dass sie den Inhalt gar nicht geprüft habe. Trotzdem wird es für die Bildungsarbeit empfohlen …

    Was ist an dieser Broschüre so empfehlenswert?

    Die Diskussion in Schulen soll dahingehend beeinflusst werden, dass die völkerrechtswidrige Besiedlung palästinensischen Landes normalisiert wird. Die CDU hatte den Antrag gestellt, diese Broschüre sowohl bei diversen Jugendeinrichtungen zu benutzen, als auch in den Schulen. Der Jugendhilfeausschuss hat diese Broschüre abgelehnt, weil sie so unausgewogen ist.

    Was die BVV nicht davon abgehalten hatte, ihre Empfehlung auszusprechen.

    In der BVV haben die SPD und die CDU dafür gestimmt, sie trotzdem für Schulen zu empfehlen. Der Bürgermeister ist sowieso ganz stark dafür. Die Linke war dagegen.

    Ist es Usus, dass die BVV festlegt, welche Materialien an Schulen verwendet werden?

    Nein, so etwas hat es noch nie gegeben. Ich bin jetzt seit 2016 Bezirksverordneter. In diesen acht Jahren, gab keinen einzigen Versuch, derart Einfluss auf die Bildung in den Schulen zu nehmen. Allein bei dem Thema Palästina–Israel ist das der Fall. Das werte ich als Unterstützung der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung und der aktuellen ethnischen Säuberungen. Zudem steht der Text konträr zum Völkerrecht.

    Wie geht es in der Sache jetzt weiter?

    Ob die Schulen die Broschüre wirklich verwenden, ist noch unklar. Wir werden dagegen protestieren und versuchen, in den Schulen aufzuklären. Auch die Neuköllner Schüler und Eltern sind sehr aufgebracht und sauer, dass solche geschichtsverfälschenden Behauptungen in den Schulen verbreitet werden sollen. Viele Lehrer und Schüler sind auf uns zugekommen, als sie von dem Vorgang erfahren haben, und haben sich darüber beschwert, dass solch ein Unsinn offiziell verbreitet werden soll. Besonders vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist es eine Schande, wie sich das Bezirksamt von Berlin-Neukölln verhält.

    Ahmed Abed ist Rechtsanwalt und für die Linkspartei in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Neukölln

    #Allemagne #Berlin #Neukölln #Palestine #philosemitisme #nakba

  • NATO-Angriff 1999 : Der Türöffnerkrieg
    https://www.jungewelt.de/artikel/471936.nato-angriff-1999-der-t%C3%BCr%C3%B6ffnerkrieg.html

    Aujourd’hui notre actuelle guerre fête ses 25 ans. Après une insupportable période de paix entre 1945 et 1999 l’Europe capitaliste put enfin renouer avec sa plus chère tradition : L’expansion à travers des interventions militaires. De 1813 à 1914 le royaume de Prusse oeuvra pour la création d’une grande Allemagne. Le projet échoua avec la perte des colonies entre 1914 et 1918. Le projet 33/45 fut un échec encore pire à cause de l’ascension de l’URSS au statut de super-pouvoir nucléaire. L’Allemagne dite libre fut réduite à un tier seulement de sa surface en 1918.

    Il y a 25 ans enfin on en finit avec cette situation humiliante. A nous les marchés de la République fédérale de Yougoslavie, ce reste de la Yougoslavie indépendante !

    Europa über alles ! Le capital ne connaît pas de patrie mais des espaces économiques. Qu’on les défende contre les slaves incultes et le péril jaune.

    Joyeux anniversaire !

    24.3.2024 von Arnold Schölzel - Der Krieg, den die NATO vor 25 Jahren gegen die Bundesrepublik Jugoslawien entfesselte, vollendete acht Jahre nach dem Ende der Sowjetunion die Niederlage des Sozialismus in Europa und die der Bewegung Blockfreier Staaten, die 1961 in Belgrad gegründet worden war. Die Zügelung des imperialistischen Faustrechts durch das Völkerrecht, insbesondere durch die UN-Charta, war vorläufig beseitigt. Die NATO erteilte sich selbst das Mandat zum Überfall, das heißt zum Staatsterror.

    Die durch den DDR-Anschluss vergrößerte Bundesrepublik machte mit. Darauf geht das Gedicht des Liedermachers und Schriftstellers Franz Josef Degenhardt (1931–2011) ein, das jW am Tag nach dem Überfall auf der Titelseite veröffentlichte. Erst 15 Jahre später räumte der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder ein: »Da haben wir unsere Flugzeuge (…) nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der NATO einen souveränen Staat gebombt – ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.« Sein Nachfolger Olaf Scholz und dessen Außenministerin Annalena Baerbock sehen das völlig anders und können keinen Bruch des Völkerrechts erkennen.

    Das aber war die Zäsur, die von der NATO gesetzt wurde. Sie ist seitdem ein Kriegführungspakt. Die völkerrechtswidrigen Feldzüge gegen Afghanistan, Irak und Libyen, aber auch das illegale Eingreifen in Syrien, wo bis heute US-Truppen stationiert sind, die Völkerrechtsbrüche des NATO-Mitglieds Türkei in Syrien und im Irak sowie schließlich der insbesondere von den USA und der BRD gedeckte Genozid Israels in Gaza sind nur einige Stationen. Der Krieg von 1999 öffnete auch die Tür, durch die Russland 2022 beim Einmarsch in die Ukraine ging.

    Der Export von Menschenrechten und Demokratie, der zur Rechtfertigung der Abenteuer des Westens angeführt wird, setzt die Verneinung des Rechts auf Leben voraus. Hinzu kommt: Die Dämonisierung eines Staatsoberhaupts durch westliche Politiker und Medien ist seitdem ernst, nämlich tödlich gemeint. Slobodan Milošević wurde im niederländischen Gefängnis zu Tode gebracht, der Iraker Saddam Hussein und der Libyer Muammar Al-Ghaddafi wurden unter NATO-Aufsicht von einheimischen Kopfabschneiderbanden bestialisch ermordet. In westlichen Kriegsmedien waren die drei jeweils »Wiedergänger Hitlers«, »Schlächter« und »Faschisten«. Nur von den ukrainischen Anhängern des Faschisten Bandera, die im Auftrag der USA und auf Rechnung der EU 2014 in Kiew den frei gewählten Präsidenten der Ukraine stürzten, erfuhr westliches Publikum so gut wie nichts.

    Am 17. Februar 2008 erkannte die Mehrheit der NATO-Mitglieder die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo an. Damit war das unmittelbare Ziel des Krieges von 1999 erreicht: die erste gewaltsame Grenzverschiebung in Europa seit 1945. Das Kosovo ist in Wirklichkeit ein NATO-Protektorat, in dem noch immer 4.800 NATO-Soldaten aus 28 Ländern stationiert sind. Im April soll das deutsche Kontingent wieder einmal aufgestockt werden.

    Jugoslawien wurde 1999 in 78 Bombentagen niedergerungen. In der Ukraine begannen die Putschisten 2014 ihre »antiterroristische Operation« gegen den Donbass-Aufstand. Der schnelle Durchmarsch scheiterte aber – es war die wahrscheinlich größte Niederlage des Imperialismus seit 1999. Die Zeiten ändern sich erneut.

    #Allemagne #OTAN #impérialisme #wtf

  • Pädagogik : Perfekt normal
    https://www.jungewelt.de/artikel/471659.p%C3%A4dagogik-perfekt-normal.html

    A propos de l’eugénisme dans la pédagogie arrièrrée de Maria Montessori. La pédagogue était proche de Mussolini qui regardait sa méthode comme élément de la création de l’homme fasciste idéal. Ce qu’on nous vend comme méthode Montessori aujourd’hui n’a rien à envier à l’obscurantisme anthroposophe.

    19.3.2024 von Christoph Horst - Eine Studie über Maria Montessori zeigt, wie stark deren Pädagogik von eugenischem und rassistischem Denken geprägt ist

    Maria Montessori wollte »die größtmögliche biologische Perfektion der Rasse« erreichen. Montessori-Kindergarten in Neapel (1930)

    Während von der Waldorfpädagogik als größter Alternative zum öffentlichen Erziehungssystem inzwischen weithin bekannt ist, dass ihre vermeintliche Orientierung am Kind nicht mehr als ein werbendes Schlagwort ist, genießt die Montessori-Pädagogik als ebenfalls breit etablierte pädagogische Alternative einen noch weitgehend guten Ruf. Beide eint, dass Kinder sich in ihrer Erziehungsideologie einem Plan unterordnen sollen und diese Unterordnung dann als Freiheit ausgegeben wird – bei Waldorf-Begründer Rudolf Steiner unter kosmisch-okkulte Gesetze, bei Maria Montessori unter die biologisch determinierte Macht des Normalen. Zu Montessori jedoch sind die kritischen Auseinandersetzungen nicht so zahlreich wie zur Waldorf-Pädagogik, so dass eine nun erschienene Monographie der Salzburger Erziehungswissenschaftlerin Sabine Seichter sehr hilfreich ist, dem Thema breitere Aufmerksamkeit zu widmen.

    Die Kritik an Montessori, die Seichter zusammenfasst, war bisher nicht unbekannt. Vor allem die vor bereits über 20 Jahren erschienenen Dissertationen der Pädagoginnen Christine Hofer und Hélène Leenders – letztere hat sich ausführlich mit Montessoris Paktieren mit dem italienischen Faschismus befasst – haben kritische Töne in die Diskussion um die Montessori-Pädagogik eingeführt. Die dadurch ausgelösten Debatten fanden allerdings lediglich in einem überschaubaren akademischen Zirkel statt. Einzelne kritische Veröffentlichungen in dezidiert säkularen Medien wurden ebenfalls wenig wahrgenommen. Bei Fachfremden und sogar in den pädagogischen Berufsausbildungen dominieren noch immer Erzählungen von Montessori als verständnisvoller und liebevoller Helferin der Kinder. Daher ist es verdienstvoll, dass Seichter nun mit einem Titel, der das Potential hat, ein größeres Publikum anzusprechen, ausbreitet, was man auch bei Montessori in den Originaltexten lesen kann.

    Angriffsflächen bietet Maria Montessoris Pädagogik zuhauf, denn das konkrete, individuelle Kind mit seinem jeweiligen Fühlen und Erleben ist ihr vollkommen egal. Wichtig ist für sie nur das abstrakte Kind, das Kind an sich als Träger eines kosmischen, über die Gene determinierenden Plans für die »Rasse«, der sich ungestört in ihm entwickeln soll. Wie in der Reformpädagogik üblich, wird das Kind als Träger einer neuen Zukunft überhöht, bei Montessori sogar zum »Messias« einer neuen Zeit vergöttlicht. Was sie mit ihren Bemühungen gesellschaftspolitisch erreichen wollte, waren »normale« Kinder. Dabei soll der Status der Normalität zugleich einen Optimierungs- und Perfektionierungsprozess durchlaufen.
    Bereitwillig gehorchen

    Der Normalitätsbegriff, der in Montessoris Pädagogik eine so wichtige Rolle spielt, schließt gleichzeitig das Un- oder Anormale kategorisch aus. Hofer formuliert, dass die zugrundeliegenden anthropologischen Vorstellungen »vom einzelnen Individuum abstrahieren und die biologische Norm eines einheitlichen Mittelmaßes anstreben«. Normalität entstehe, so Montessori, »wenn sich die tiefere Natur entwickeln kann und einen Typ hervorbringt, der fast einheitlich und gleichförmig in seinen Charakterzügen ist«. Montessori empfand vor diesem Hintergrund ein Übermaß an Phantasie und Kreativität – auf die sich viele vielleicht sogar gutmeinende Pädagogen in Montessori-Einrichtungen, die sich trotz vorgeschriebener weltanschaulicher Schulung nicht die Mühe einer vertieften Montessori-Lektüre gemacht haben, berufen – sogar als störend: »Wie stolz sind die Eltern und Erzieher auf ein Kind, das eine besonders starke Einbildungskraft besitzt. Sie sehen nicht, dass dies ein Symptom einer ungeordneten Intelligenz ist.« Das höchste Ziel der Normalisation sei das Aufgehen des Kindes in der normalen Welt durch inneres Wollen, durch »freudige(n) Gehorsam«, den Montessori mit der Unterwürfigkeit eines Hundes vergleicht:

    »Der Hund ist begierig darauf, Befehle zu erhalten, und läuft mit vor Freude wedelndem Schwanz, um zu gehorchen. Die dritte Stufe des Gehorsams des Kindes ähnelt diesem Verhalten. Gewiss aber gehorcht es immer mit überraschender Bereitwilligkeit.«

    Dieser Gehorsam wird in Montessori-Einrichtungen hergestellt, einerseits durch die vermeintlich exakt wissenschaftlich hergeleitete Herstellung der nahezu klinischen Umgebungsbedingungen sowie das berühmte Material, das durch seine Beschaffenheit und seine fordernde Omnipräsenz disziplinierend wirken soll, und andererseits durch die Autorität eines sich zwar zurücknehmenden, aber dennoch total herrschenden Lehrers, den das Kind als Führungsfigur zu akzeptieren hat. Dass Kinder spielen, ist dabei nicht vorgesehen. Montessori meinte anlässlich eines Besuchs in einem Kindergarten, dass kindliches Spiel zwar nett anzusehen wäre, aber keinen Nutzen habe. Zweckfreies Tun war ihr suspekt, jeder Moment der kindlichen Entwicklung soll dem pädagogischen Telos geopfert werden. Dem Lehrer fällt dabei die Rolle des dokumentierenden Lenkers zu. Er agiert wie der Versuchsleiter eines Laborexperiments.

    Die Allmacht des Lehrers und die Vereinzelung der Kinder waren auch die Kritikpunkte des Pädagogen John Dewey an Montessori. Er kritisierte die Unmöglichkeit des Montessori-Kindes, in Gemeinschaft lernen zu können und erkannte die Hilflosigkeit des Schülers im System Montessori. Kinder sollen sich nach Montessori nicht nur dem Bestehenden einfach unterordnen, sondern dieses aus tiefster Überzeugung bejahen. Der Begründer der antiautoritären Pädagogik Alexander Sutherland Neill, ein Zeitgenosse Montessoris, formulierte daher treffend, dass Montessori »das Kind dem Apparat anpassen« wolle.

    Am Punkt der Normalitätserwartung setzt auch Seichters Kritik an. Mit dem Instrumentarium Michel Foucaults – hier ausnahmsweise nicht weiter störend – zeigt sie, wie bei Montessori die Zurichtung bzw. sogar Züchtung »normaler« Kinder die Exklusion »anormaler« zwingend voraussetzt. Die stringente Beweisführung blamiert damit auch die pädagogische Praxis, wenn heutige Montessori-Einrichtungen sich besonders inklusiv geben. Wenn sie es sind, dann nicht wegen, sondern trotz der Ideen Maria Montessoris, die die weiße, italienische »Rasse« auf dem Umweg über das Kind zur höchsten Reinheit entwickeln wollte und forderte, dass schon über die Sexualhygiene (selbstverständlich in Verantwortung der Frau!) und strenge, politisch formulierte Fortpflanzungsrichtlinien »moralische und physische Monster« vermieden werden. Dazu maß Montessori, die sich immer wieder positiv auf den Begründer der Eugenik Francis Galton sowie auf den Physiognomiker Cesare Lombroso bezog, in ihrem Hauptwerk »Pädagogische Anthropologie« auch Schädel- und Gesichtsformen und teilte diese in höher- und niederwertige »Rassen« und Klassifikationen ein. Diese eugenischen und biologistischen Denkweisen sind das Fundament der Montessorischen Erziehung.
    Gottes Plan im Kind

    Ihr Konzept kommt dabei trotz eines vermeintlichen Szientismus nicht ohne Mystik aus – was sie auch für die katholische Kirche interessant machte, die allerdings einige Zeit brauchte, um Montessoris Pädagogik ihren Segen als christliche Vorzeigelehre zu geben. Eine angemessene kritische Darstellung der Herkunft Montessoris aus dem Katholizismus und ihrer Beziehungen zur katholischen Kirche steht noch aus. Aber aus ihrer Ergebenheit gegenüber katholischer Kirche und Lehre hat Montessori nie einen Hehl gemacht. Im Gegenteil schrieb sie religions­pädagogische Bücher, in denen sie Anweisungen gab, wie man Kinder an den richtigen Umgang mit Hostien, Heiligen, dem Abendmahl etc. heranführen soll. In »Kinder, die in der Kirche leben« erklärt sie auch ihre Überhöhung des Kindes christlich: »Wenn wir Christus und den Vater im Kind sehen, so wird unsere Ehrfurcht gegenüber den Kleinen tief und heilig sein.« Die Allianz zwischen Montessori-Bewegung und katholischer Kirche hält bis heute an. Im Oktober 2021 schickte Papst Franziskus eine Grußbotschaft an einen Montessori-Kongress und rief die Gläubigen dazu auf, sich an der Person Montessori zu orientieren.

    Montessori war der Überzeugung, dass die Entwicklung einer genetisch und »rassisch« bedingten Natur der Vollzug eines von Gott gegebenen kosmischen Plans im Kind sei – in ihren eigenen Worten: »Wenn man die Gesetze der Entwicklung des Kindes entdeckt, so entdeckt man den Geist und die Weisheit Gottes, der im Kind wirkt.«

    An diesem Punkt kommt die von heutigen Montessori-Pädagogen gelobte Freiheit ins Spiel. Das Kind sei frei, diesen im Moment der Zeugung eingepflanzten kosmischen Plan ohne eingreifende Störung durch den Erwachsenen entwickeln zu dürfen – aber nur, wenn das Kind sich in das Montessori-Schema füge: »Dem Kind seinen Willen lassen, das seinen Willen nicht entwickelt hat, heißt den Sinn der Freiheit verraten.« »Vom Kinde aus« könne also nur zugestanden werden, wenn der mächtige Lehrer es für richtig halte, dessen Hauptaufgabe in Montessoris Musterschule »Casa dei Bambini« (das ursprünglich passender »Labor für das Studium der kindlichen Entwicklung« heißen sollte) jedoch zum einen die Herstellung disziplinierter Ruhe war und zum anderen die positivistische Messung von Kinderkörpern und ihren Leistungen zur Auffindung und Aussonderung von Anormalität

    Im quantifizierenden Vermessen der Kinder ist Montessoris Herkunft aus der Naturwissenschaft, zeitgemäß geprägt von sozial missgedeuteter Evolutionstheorie, ablesbar. Nicht umsonst stellt Seichter ihrem Buch ein Zitat Montessoris voraus, in dem diese die Bezeichnung »Pädagogin« zurückweist. Auch der Montessori-Kenner und langjährige Präsident der Deutschen Montessori-Gesellschaft Winfried Böhm stellt sie in seiner populären »Geschichte der Pädagogik« als Evolutionsbiologin und Anthropologin vor und widmet ihr im übrigen nur wenige Zeilen. Montessori sah sich primär als naturwissenschaftlich an (!) den Kindern arbeitende Ärztin mit dem Auftrag, an der Schaffung einer körperlich und moralisch höherwertigen »Rasse« mitzuwirken bzw. in ihren Worten, damit »die größtmögliche biologische Perfektion der Rasse erreicht« werden könne.

    Prominent in ihrem Hauptwerk plaziert erklärt Montessori den ästhetisierten Körper des Menschen zum »rassischen« Ideal: »Die triumphierende Rasse, d. h. diejenige, die nicht zugelassen hat, dass das Territorium ihres Reiches oder der Fortschritt ihrer Kultur begrenzt werden, besteht aus weißen Menschen, deren Staturtyp mesatiskel ist, d. h. eine Harmonie der Formen bei allen Teilen des Körpers aufweist.« Die harmoniefördernde, vermeintlich sanfte Lenkung des Lehrers als starke Aufforderung zur Selbstlenkung entstehe überwiegend durch die Herstellung der Umgebung, »die den natürlichen seelischen Offenbarungen günstig ist«.

    Während ein Kind in einem öffentlichen Kindergarten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten hat, ist ein Kind an einer Montessori-Einrichtung frei, sich Montessori-Spielzeug auszusuchen. William H. Kilpatrick, der amerikanische Pädagoge des Pragmatismus, benannte schon 1914 in höflichen Worten, dass es sich dabei um langweilige Dinge handle: »Der so enge und begrenzte Rahmen der didaktischen Materialien kann das normale Kind nicht lange befriedigen. (…) Die Phantasie, ob sie sich im konstruktiven Spiel betätigt oder mehr ästhe­tischer Art ist, wird nur wenig eingesetzt.« Dieses innerhalb der Montessori-Szene völlig überschätzte Arbeitsmittel, das in Bezug auf moderne kindliche Experimentier- und Erfahrungsangebote eher konventionell wirkt, ist so hergestellt, dass die Kinder in klar abgegrenzten Entwicklungsphasen ihnen jeweils entsprechendes Material angeboten bekommen. Und dies streng innerhalb der Altersgrenzen. Kinder, die sich für Spielzeug außerhalb der vorgesehenen, »normalen« Phasen interessierten, waren Montessori suspekt wie jedes andere Verhalten, das auf Individualität hinwies. Ihr aus der Botanik abgeschriebenes Phasenmodell ist starr und alles andere als individuell. Die zugrundeliegenden entwicklungspädagogischen Ideen entstammen dem 19. Jahrhundert und wurden bis heute von ihren Anhängern nicht aktualisiert.

    Von Mussolini gefördert

    Ohnehin hat sich die Montessori-Bewegung mit Verweis auf die Gründungsfigur kaum weiterentwickelt und aus der akademischen Pädagogik nahezu verabschiedet. Heutige Werbung für Montessori-Einrichtungen verweist eher auf anekdotisches Erfahrungswissen als auf die tatsächlich zugrundeliegende Ideologie. Doch nicht nur heutige Montessori-Pädagogen tun sich schwer mit einem Blick auf die Wissenschaft. Schon Montessori selbst hatte zu ihr ein ambivalentes Verhältnis und bemühte lieber »geheimnisvolle und verborgene Quellen«, wenn sie einen »göttlich eingepflanzten Lebensdrang« behauptete: »Wir versuchen nicht, diese geheimnisvollen Kräfte zu ergründen, sondern wir achten sie als Geheimnis im Kind, das nur ihm alleine gehört.«

    Diesen religiös-irrationalen Aspekt Montessoris, der durchaus in einem gewissen Widerspruch zu anderen Teilen ihres Werks steht, stellt Seichter ein wenig zurück, um sie deutlicher als positivistische Menschenbildnerin zeigen zu können. Mit ihrem Bildungsverständnis, nach dem jedes Kind auf seinen vorgegebenen Platz in der Gesellschaft vorbereitet werde, konnte Montessori gut bei den italienischen Faschisten andocken. Benito Mussolini, selbst gelernter Grundschullehrer, wurde schon 1926 Ehrenpräsident der italienischen Montessori-Vereinigung und verstand sich immer als ihr Förderer. Ab 1927 propagierte das italienische Erziehungsministerium die Montessori-Methode als genuin faschistisch. Die pädagogische Historiographie steht auf dem Standpunkt, dass Montessori sich an die Faschisten anbiederte, diese aber ein eher instrumentelles Verhältnis zu ihr hatten und sich ihrer daher entledigten, als sie nicht mehr benötigt wurde, weil faschistische Pädagogen eine eigene idealistische Methode ausgearbeitet hätten. Mussolini war an Montessori nicht nur als Vertreterin einer »reinen« Erziehungslehre interessiert, sondern wollte sie auch als Koryphäe italienischer Geistesgröße präsentieren und nutzen. Montessori und auch ihr Sohn und späterer Mitarbeiter und Vermächtnisverwalter Mario, den sie zugunsten ihrer Karriere nicht selbst erzogen hat, waren Machtmenschen mit einem starken Willen zur weltweiten Durchsetzung ihrer Methode. Montessori diente sich den Faschisten sogar soweit an, dass sie neue Auflagen ihrer frühen Werke in ein faschistisches Vokabular umschrieb. Noch 1945 lobte sie Mussolini und sogar Adolf Hitler für deren pädagogischen Programme, weil beide so früh und so total auf das Kind zugriffen.

    Besonders die Eugenik verband Montessori und die Faschisten. Die Bemühung um die Reinheit und Höherentwicklung der exklusiven (Volks-)Gemeinschaft und die Ideologie vom Recht auf Weiterentwicklung nur für das Schöne und Starke sind die zentralen Schnittstellen montessorischen und faschistischen Denkens. Montessoris Behauptung, dass die kriminelle Laufbahn eines Kindes vom kosmischen Plan im Moment der Zeugung vorherbestimmt sei, liest sich wie eine Begründung für die Zwangssterilisationen im Nazifaschismus. Bei den italienischen Faschisten lief sie offene Türen ein mit der Forderung, dass »die Kriminellen, die Schwachsinnigen, die Epileptiker, dieser ganze menschliche Ballast, gar nicht erst entstehen« sollten.

    Seichter weist in ihrem Text ausführlich darauf hin, dass Montessori mit ihren eugenischen Ansichten in der Pädagogik nicht alleine steht. Unter anderem zeigt sie, wie Montessori von der schwedischen Schriftstellerin Ellen Key (1849–1926) beeinflusst wurde, die ebenfalls bis heute als den Kindern besonders zugewandt angesehen wird. Ihr viel rezipiertes Werk »Das Jahrhundert des Kindes« von 1900 holte die romantische Verklärung der Kindheit in die Pädagogik. Letztlich zielte aber auch Key nur am konkreten Kind vorbei auf eine »biologisch reine ›Rasse‹« über das vermeintliche Heilmittel der Erziehung. Seichter betrachtet dazu noch sehr genau Montessoris in die Gegenwart geworfenen »Schatten«, also die heutigen medizinischen Möglichkeiten pränatalen Modifizierens, aber auch neoliberale Methoden der lebenslangen Selbstvermessung und -optimierung.
    Zutiefst reaktionär

    Um einem berühmten Denkfehler zuvorzukommen: Die Kritik Montessoris oder auch eingangs Steiners bedeutet selbstverständlich nicht automatisch, dass andere pädagogische Entwürfe im simplen Umkehrschluss besser wären – auch heutige Montessori-Einrichtungen verweisen auf Probleme öffentlicher Bildung, als wären diese fern jeder Logik ein Argument für ihre Alternative. Es zeigt sich aber bei Montessori besonders gut die grundlegende Tendenz erzieherischen Denkens, das Kind einem pädagogischen Telos unterzuordnen. Und wenn diese Gerichtetheit auf eine zutiefst reaktionäre Ideologie verweist, besteht dringender Aufklärungsbedarf. Dies um so mehr, da, wenn Montessori in der Öffentlichkeit behandelt wird, kaum je über ihre eugenisch-»rassischen« Ideale gesprochen wird. Mario Montessori hatte durch unermüdliche Arbeit einen großen Anteil daran, dass seine Mutter fast ausschließlich wahrgenommen wird, wie er sie sah: »Wenn ich zurückblicke, erscheint es mir fast unglaublich, wieviel sie geleistet hat (…) als geniale Pädagogin.« Aber zur Wahrheit über die Begründerin so vieler bunt angemalter Kindergärten und Schulen gehört, wie gezeigt, eben auch, dass sie den Kern ihres Denkens prägnant auf eine Formel gebracht hat, die die Stigmatisierung von Andersartigkeit mythologisch begründet:

    »(…) die realen Menschen entwickeln sich zu unterschiedlichen Typen, die mehr oder weniger entfernt von den Idealen sind, so dass sie nicht die von der Natur bestimmten Rassetypen sind, sondern Typen von Deviation und Entwicklungsstillstand oder von anormalem Wachstum, und sie sind durch unsere gesellschaftlichen Fehler dazu geworden. Somit ist das zentrale Objekt der pädagogischen Anthropologie die normale Vollendung der Schöpfung.«

    Je mehr der Name Maria Montessori – von frühen Anhängern unterwürfig »Dottoressa« genannt – von den heutigen Einrichtungen nur noch als inhaltslose Werbeformel genutzt wird, desto besser für die dort betreuten Kinder.

    Sabine Seichter: Der lange Schatten Maria Montessoris. Der Traum vom perfekten Kind. Beltz-Verlag: Weinheim/Basel 2024, 195 S., 29 Euro

    Hélène Leenders: Der Fall Montessori. Die Geschichte einer reformpädagogischen Erziehungskonzeption im italienischen Faschismus. Klinkhardt-Verlag: Bad Heilbrunn 2001, 316 S., nur noch antiquarisch erhältlich.

    Die Schriften Maria Montessoris sind auf deutsch im katholischen Herder-Verlag erschienen und in jeder Hochschulbibliothek mit pädagogischen Studiengängen vorrätig.

    Christoph Horst ist Sozialarbeiter und Fachjournalist.

    #pédagogie #fascisme

  • Monatsmonitor Medienwirtschaft : Weniger, dafür teurere Bücher
    https://www.jungewelt.de/artikel/470458.monatsmonitor-medienwirtschaft-weniger-daf%C3%BCr-teurere-b%C3%BCch

    Crise du livre en Allemagne - les éditions vendent moins de livres et les prix augmentent.

    1.3.2024 von Gert Hautsch - Die Zahl der Personen, die Bücher kaufen, ist schon seit geraumer Zeit rückläufig

    »Trüber Jahresauftakt« schrieb der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zu den aktuellen Geschäftszahlen der Branche. Der Grund: Im Januar 2024 sind 4,7 Prozent weniger Bücher verkauft worden als im Vorjahresmonat. Nur wegen der deutlich gestiegen Preise ergibt sich beim Umsatz ein nicht ganz so dunkles Bild. Die Summe der Verkaufserlöse lag um 1,2 Prozent unter dem Wert von vor zwölf Monaten. Das sorgt für Frust in der Branche, denn für das Gesamtjahr 2023 war immerhin noch ein Umsatzzuwachs um 2,9 Prozent gemessen worden, allerdings auch schon bei einem um 1,9 Prozent gesunkenen Absatz. Die stationären Buchhandlungen liegen mit ihren Zahlen noch darunter, wie der Börsenverein mitteilte.

    Zwei Entwicklungen sorgen in der Branche für Beunruhigung. Erstens: Die Zahl der Personen, die Bücher kaufen, ist schon seit geraumer Zeit rückläufig. So haben 2022 rund 25,8 Millionen Menschen mindestens ein Buch gekauft, im Jahr davor waren es 27,2 Millionen, 2013 gab es noch 36 Millionen Käufer. Wer Bücher kauft, gibt zwar im Durchschnitt mehr Geld dafür aus, das ändert aber nichts am Trend. Der war vom Börsenverein erstmals 2019 in einer Studie untersucht worden. Als Hauptgrund für das sinkende Interesse an Literatur war ein verändertes Medienangebot ermittelt worden. Leseerlebnisse verschwinden aus dem öffentlichen Diskurs, im persönlichen Gespräch werden sie durch Streamingserien oder Youtube-Videos verdrängt, die intensive Nutzung von Smartphones und Social Media sorgt für Ablenkung. Damit sieht sich die Buchbranche mit den gleichen negativen Tendenzen konfrontiert wie andere klassische Mediengattungen (Zeitungen, Magazine, Fernsehen), deren Nutzerzahl schrumpft.

    Zweitens: Nicht nur die Gesamtmenge der abgesetzten literarischen Werke verkleinert sich, sie konzentriert sich auch auf vergleichsweise weniger Titel. Nach Aussagen des Börsenvereins war 2021 der Buchabsatz insgesamt um drei Prozent gesunken, der der zehn meistverkauften Titel jedoch um 23,6 Prozent gestiegen. Bei belletristischen Werken waren es sogar fast 40 Prozent. Dabei spielten die pandemiebedingten Ladenschließungen (bis Mai 2021) eine Rolle, durch die Spontankäufe verhindert wurden, aber das war nicht der einzige Grund. Die Kundschaft orientiert sich stärker denn je an den Bestsellerlisten, weniger bekannte Werke und solche mit Nischenthemen haben das Nachsehen. Darunter leidet die Vielfalt des Angebots und letztlich der Reiz des Mediums Buch.

    Dabei sollte die Branche eigentlich stolz sein, denn sie konnte zwei ernsthafte Krisen besser als befürchtet bewältigen. Während der Pandemie waren die Buchhandlungen monatelang geschlossen. Das Publikum musste sich an den Zustand ohne Buchläden gewöhnen, der Onlinehandel hat die Lücke nicht schließen können. Trotzdem haben 2023 die Branchenumsätze um 1,6 Prozent über dem Niveau von 2019 gelegen – allerdings bei einem um 8,4 Prozent geringeren Absatz. Der Sortimentsbuchhandel hat 4,7 Prozent weniger umgesetzt als im Vorpandemiejahr, das befürchtete Ladensterben blieb aus.

    Die zweite Herausforderung war die Digitalisierung des Gewerbes. Nach dem Start von Amazons »Kindle« Ende 2009 war befürchtet worden, dass das elektronische Buch (E-Buch) das gedruckte Pendant verdrängen könnte. Der Anteil an Literatur als Datei am gesamten Buchumsatz stieg zwischen 2010 und 2018 von 0,5 auf fünf Prozent. Seither vergrößert er sich nur noch langsam und hat 2022 sechs Prozent erreicht. Von einem Trend weg vom gedruckten und hin zum digitalen Buch kann also keine Rede sein.

    Wie bei Büchern insgesamt schrumpft auch bei den E-Büchern das Lese­publikum. Haben 2020 noch 3,8 Millionen Personen mindestens ein Buch als Datei erworben, so waren es 2022 nur noch drei Millionen. Die Gründe dürften die gleichen sein wie bei gedruckter Literatur: Die Menschen wenden sich verstärkt den leichter konsumierbaren Angeboten auf Smartphones zu.

    Der Börsenverein sieht darin auch Lichtblicke. Social-Media-Plattformen spielen als Inspirationsquelle beim Literaturkonsum eine wachsende Rolle. Junge Leute (16 bis 29 Jahre) sind bei fast jedem fünften Euro, den sie für Bücher ausgegeben haben, Empfehlungen auf Tik Tok, Instagram oder anderen Plattformen gefolgt bzw. wurden dort dazu angeregt. Bei den 16- bis 19jährigen waren es sogar mehr als jeder vierte Euro. Vielleicht wird auf diesem Weg neues Interesse an Literatur geweckt.

  • China : Das eurasische Drehkreuz
    Vorabdruck.Reise in das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang
    https://www.jungewelt.de/artikel/470457.china-das-eurasische-drehkreuz.html

    Comprendre le Xinjiang et son histoire

    1.3.2024 von Moritz Hieronymi, Beijing

    Wir dokumentieren im folgenden eine redaktionell leicht gekürzte Reportage, die in Heft 3/2024 der Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke erscheinen wird. Wir danken Autor und Redaktion für die freundliche Genehmigung zum Vorabdruck. Das Heft kann über kpf@die-linke.de bestellt werden. (jW)

    Über den dicht verzweigten Straßen der Altstadt Macaus ragen die Ruinen der São-Paulo-Kirche empor. Diese Jesuitenkirche war einst der Prachtschmuck der portugiesischen Kolonisatoren, die im 16. Jahrhundert die Inseln Taipa (in Chinesisch: Dangzai) und Coloane (Luhuan) im Delta des Perlflusses unter ihre Kontrolle brachten. Mit Hilfe der Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen gelang es Portugal unter König Manuel I. nach Jahrzehnten der Verhandlungen, dem chinesischen Kaiserreich die Gebiete des heutigen Macaus abzuringen. Lissabon hatte dieses Gebiet als einen geeigneten Umschlagplatz für die in Europa begehrten Waren aus Fernost ausgemacht. Um jedem Konflikt mit dem Ming-Kaiser vorzubeugen, wurde das Reich der Mitte angemessen an den Geschäften beteiligt. Mit dem Niedergang Portugals wurden die Zahlungen spärlicher und blieben irgendwann ganz aus – dennoch hielt Lissabon an seinem Pachtland fest.

    Von der einstigen Größe der portugiesischen Krone ist heute neben dem Kolonialviertel und dem barocken Portal der São-Paulo-Kirche wenig übriggeblieben. Das Fatum der Geschichte hat ausgerechnet die Krypta der vormals größten katholischen Kirche in China unbeschadet belassen. Ein brachialer Glasbau führt heute in die Katakomben, wo die Gebeine christlicher Märtyrer, meist chinesischer Provenienz, der Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden.

    Zurecht könnte sich der Leser fragen, wieso dieser Beitrag über die zentralasiatische Region Xinjiang an einem der südlichsten Punkte der Volksrepublik China beginnt. Bietet es sich von Macau nicht eher an, Überlegungen über die keine 1.000 Kilometer entfernte Insel Taiwan, die die Portugiesen Formosa – die »Schöne« – tauften, anzustellen? Welche Rolle kommt Xinjiang zu, wenn die Strategen aus Washington und Beijing doch längst die Hohe See als Schlachtfeld einer möglichen Konfrontation ausgemacht haben?

    Als im Jahr 1999 Macau der Volksrepublik China übergeben wurde, endete nicht nur eines der letzten Kolonialregime der Welt, sondern auch die Herrschaft des weißen Mannes über China. Seither verschieben sich die geopolitischen Kräfteverhältnisse mit gravierenden Folgen. Auch der für den BRD-Mainstream über jeden Zweifel erhabene Politologe Herfried Münkler kam kürzlich zu dem Schluss: Diejenigen, »die glaubten, die bisherige Weltordnung sei wiederherstellbar, lägen falsch«.¹ Die US-Hegemonie hat ihr Ende erreicht, während sich eine alternative Ordnung noch nicht herauskristallisiert hat. Die Folgen sind Friktionen in den verbliebenen internationalen Institutionen und Konflikte, denen vermehrt mit militärischen Mitteln begegnet wird.

    Dieses Interim ist von einer Konfrontationsgefahr zwischen Washington und Beijing geprägt, weswegen dem indopazifischen Raum eine herausgehobene Bedeutung beigemessen wird. Dennoch scheint eine direkte Konfrontation der beiden Supermächte aufgrund der unkon­trollierbaren Risiken gegenwärtig unrealistisch. So hatte der einstige US-Generalstabschef Mark A. Milley darauf hingewiesen, dass die Folgen eines amerikanisch-chinesischen Krieges, selbst wenn der unwahrscheinliche Fall des gegenseitigen Verzichts auf den Einsatz nuklearer und biochemischer Waffen eintrete, allein aufgrund der dichtbesiedelten Pazifikregionen in den USA und China katastrophal wären.²

    Stellt man sich in Washington eigentlich die Frage, wie es zur einer solch unkomfortablen Lage gegenüber China kommen konnte? Mehr als 50 Jahre, nachdem US-Präsident Richard Nixon Mao Zedong besucht hatte, ist der letzte Veteran und Architekt der US-Annäherung an die Volksrepublik, Henry Kissinger, gestorben. Nur wenige der Gäste seiner Totenmesse werden daran Anstoß genommen haben, dass dieser Mann die Ermordung Hunderttausender Zivilisten in Lateinamerika und Asien zu verantworten hatte, wohl vielmehr daran, dass seine China-Politik dem Aufstieg des Reichs der Mitte erheblichen Vorschub leistete. Während die Sowjetunion bereits unter der ideologischen und wirtschaftlichen Sklerose der Breschnew-Ära litt, verfolgten damals die USA die alte Weisheit: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Und schon Napoleon hatte gewusst: »China ist ein schlafender Löwe, lasst ihn schlafen! Wenn er aufwacht, wird er die Welt verrücken!« Nunmehr stehen die USA vor der Aufgabe, den von ihnen gekitzelten Löwen zu bezwingen, indem sie einen beispiellosen Wirtschafts- und Medienkrieg führen.

    Währenddessen steht China vor gravierenden Herausforderungen. Erstmalig in ihrer Geschichte muss die Führung des Landes sich zu einer Generation verhalten, bei der die eigene Karriere Vorrang vor der Gründung einer Familie hat. Die Gesamtbevölkerung schrumpft. Zugleich wächst die Zahl der 25 Millionen Muslime innerhalb der Volksrepublik. Die westlichen Nachbarn Chinas erleben derweilen ein nationalistisches Aufbegehren, von dem die Proteste von 2022 in Kasachstan erst der Beginn waren. »Xinjiang wird dir noch Kopfschmerzen bereiten«, warnte einst Stalin seinen chinesischen Konterpart, Mao Zedong.

    In den Fernen Westen
    Das Zugpersonal schaut irritiert, als es den »Wei Guo Ren« – den »Ausländer« – in der Schlange zur Ticketkontrolle für den Zug nach Ürümqi, der Provinzhauptstadt von Xinjiang, erblickt. Im Vorfeld hatten chinesische Freunde wenig begeistert auf meinen Plan reagiert, in das Uigurisch Autonome Gebiet zu reisen. Zu weit weg, Kommunikationsschwierigkeiten, vielleicht nicht ungefährlich. Und was willst du da überhaupt? Dass ich beabsichtigte, den Zug zu nehmen, ließ sie vollends an meinem Verstand zweifeln. Schließlich würde die Zugreise von 2.800 Kilometern Strecke nicht nur mehr als 30 Stunden dauern, sondern weckte auch traumatische Erinnerungen: Im Jahr 2014 war es in der Hauptstadt der Südprovinz von Yunnan, Kunming, zu einem Terroranschlag gekommen. Neun Personen hatten im Zentralbahnhof Fahrgäste mit Macheten angegriffen. Während dieses Massakers starben 31 Menschen, 143 wurden verletzt. Kunming war nur der Kulminationspunkt einer Serie von Anschlägen des uigurisch geprägten Islamismus. Zwischen 1990 und 2016 kam es zu mehreren tausend Terroranschlägen, bei denen das Massaker von Ürümqi mit 197 Toten und mehr als 1.700 Verletzten den traurigen Höhepunkt darstellte.

    Der Passagierzug ist ausgebucht. Die überwiegende Anzahl der Mitreisenden ist schwer bepackt; die braun-gegerbte Haut weist auf einen Arbeiterhintergrund hin. Diese von westlichen Medien so bezeichneten »Wanderarbeiter« sollen entrechtet und teilweise versklavt ihrem Schicksal ausgeliefert sein. Dabei unterschlagen dieselben Medienanstalten, dass sich in den vergangenen neun Jahren die chinesischen Durchschnittsreallöhne verdoppelt haben. Ebenso fehlt jede Berichterstattung über die Abkehr vom quantitativen und die Hinwendung zum qualitativen Wirtschaftswachstum seit dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas. Die Konsequenzen dieser Beschlüsse werden sichtbar, je weiter der Zug ins Landesinnere fährt. In den Provinzen Shanxi und Shaanxi haben die Kleinstädte ihren Charme aus der Mao-Ära noch nicht verloren. Die beigefarbenen Mietskasernen, die sich in den Mittelgebirgslandschaften drängen, sind in die Jahre gekommen. Unweit dieser kümmerlichen Siedlungskomplexe sind neue Wohnviertel gebaut worden. Entlang der Bahnstrecke ragen 20stöckige Gebäude in die Landschaft. Diese im Entstehen begriffenen Stadtviertel werden plangemäß an das Autobahn- und Bahnnetz angeschlossen. Neue Krankenhäuser, Schulen und Stadien entstehen.

    Zum Spätnachmittag füllt sich der Speisewagen. Entgegen der unzumutbaren Versorgung der Deutschen Bahn wird hier frisch gekocht und ein überraschend schmackhaftes Mahl serviert. Zum Essen gibt es Bier. Die Flachmänner, gefüllt mit »Roter Stern« – eine beliebte Marke des in China weitverbreiteten Hirse-Schnaps (Baijiu) –, gehen herum. Die Stimmung ist ausgelassen. Ein junger Mann aus Tianjin bietet sich mir als Übersetzer an. Er stammt aus einer Han-Familie, die seit der dritten Generation in Xinjiang lebt. Der Großvater wurde nach seiner Demobilisierung am Ende des Koreakrieges in die Westregion versetzt. Dieses Schicksal trägt eine große Anzahl chinesischer Veteranen des Koreakriegs, die zu den Pionieren der uigurischen Provinz werden sollten. Beispielhaft steht hierfür das Großprojekt der über 2.000 Kilometer langen Lanzhou-Schienenlinie durch den Hexi-Korridor³, wodurch Beijing mit der uigurischen Hauptstadt Ürümqi verbunden wurde. Heldenhafte Leistungen bei Temperaturen von bis zu minus 30 Grad Celsius im Winter und über 40 Grad Celsius im Sommer.

    Geostrategisches Experimentierfeld
    In diesen Zeiten hatte es aber auch hinsichtlich der Nationalitätenpolitik weitreichende Veränderungen gegeben. Nach Jahrhunderten rassistischer Diskriminierung der Minderheitenvölker von Xinjiang hatte Mao Zedong die Pekinger Funktionäre zum Ende des Han-Chauvinismus aufgefordert. Die Kaderpolitik der regionalen KP-Organisationen wurde angepasst und die Provinzministerien wurden mit Angehörigen der unterschiedlichen Volksgruppen besetzt. Prominentestes Beispiel ist Saifuding (auf Uigurisch: Seypidin Aziz), uigurischer Separatist und Bildungsminister der kurzlebigen zweiten ostturkestanischen Republik⁴, der in die Reihen der KP aufgenommen und mit ministerialen Funktionen ausgestattet wurde.

    Zum 70. Geburtstag Stalins im Dezember 1949 reiste Mao Zedong mit einer uigurischen Delegation nach Moskau. Der Grund für diese Zusammensetzung der Delegation ist heute fast in Vergessenheit geraten, er sollte vergessen werden.

    Beilage zu Feminismus am Mittwoch, 6. März am Kiosk
    In den 1930er Jahren, während des Höhepunkts des chinesischen Bürgerkriegs, schloss die sowjetische Xinjiang-Handelsgesellschaft (Sovsintorg) mit der lokalen Regierung von Xinjiang einen Kreditvertrag zur Finanzierung von Infrastruktur, zur Erschließung unterschiedlicher Ressourcen und zum Bau von Militäreinrichtungen und Krankenhäusern in Höhe von fünf Millionen Rubel ab. Der Ausbau eines Netzes von Niederlassungen und sowjetischen Handelsvertretungen wurde nötig und führte dazu, dass die Sowjetunion de facto administrative Befugnisse in allen Städten in Xinjiang ausübte.

    In den folgenden Jahren erzeugte die Paral­lelität zwischen sowjetischen und lokalen Strukturen ein Machtvakuum in Ürümqi. Rassistische Übergriffe gegen die Minderheiten und soziale Unruhen führten zum Ausbruch der Hami-Rebellion.⁵ Nachdem sich die Rebellen gegen sowjetische Einrichtungen und Staatsbürger gerichtet hatten, sah sich Moskau veranlasst, militärisch zu intervenieren. Mit Unterstützung der Guomindang, den Feinden der Kommunistischen Partei Chinas, ging die Sowjetunion siegreich aus dem Konflikt hervor und bildete mit den Nationalisten ein informelles Kondominium über Xinjiang. Ab Mitte der 1930er Jahre verloren die Chinesen zusehends an Einfluss über die Region. Die Sowjetunion hatte ihre wirtschaftliche Potenz in Xinjiang genutzt, um direkten Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Beispielhaft steht hierfür die Berufung von Stalins Schwager, A. S. Swanidse, zum Wirtschaftsberater in Ürümqi.

    Ab 1940 verfolgte die UdSSR eine mehrgleisige Strategie: Zum einen unterstützte sie die offizielle nationalistische Lokalregierung unter Sheng Shicai. Zum anderen förderte sie separatistische Bewegungen bei der Errichtung der Zweiten Republik Ostturkestan. Dieses Vabanquespiel führte zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

    Mit der Niederlage der Guomindang gegen die Kommunisten in den Jahren 1948/49 erhob Mao Zedong Ansprüche auf Xinjiang. Eine KP-Delegation sollte in der selbstproklamierten Republik Ostturkestan über die Wiedereingliederung verhandeln. Dazu kam es nicht. Ein Hinterhalt der Guomindang forderte den Tod aller Delegierten. Unter den Opfern war der kommunistische Diplomat Mao Zemin, der jüngere Bruder des Staatsgründers der Volksrepublik China. Das sowjetische Katz-und-Maus-Spiel sollte erst enden, als Mao Zedong der UdSSR exklusive Abbaurechte für Erdöl, Uran- und Beryllium-Erze in Xinjiang zubilligte. Ein Handel, der äußerst nachteilig für China ausfiel. Es scheint daher nicht verwunderlich, dass die erste und einzige persönliche Zusammenkunft zwischen Mao und Stalin unterkühlt verlief.

    Erst Ende der 1950er Jahre wurden die Verbindungsbüros der Firma Sovsintorg endgültig geschlossen. Zuvor war es zu einem Eklat zwischen Mao und Chruschtschow gekommen, als Letzterer fragte, ob Mao wirklich die Sowjetunion als roten Imperialisten betrachte. Die Antwort, die weder in das eindimensionale Schema mancher Linker noch in das bürgerlicher Historiker passt, lautete: »Da war ein Mann namens Stalin, der nahm uns Port Arthur und verwandelte Xinjiang und die Mandschurei in Halbkolonien (…). Das waren alles seine guten Taten.«⁶ Jahrzehnte später, mit der Öffnung der sowjetischen Archive, sollte sich herausstellen, dass selbst nach der Gründung der Volksrepublik China die Sowjetunion ihre Rauminteressen über Xinjiang nicht aufgegeben hatte. So war bis zu Stalins Tod in Planung, den Bürgern von Xinjiang vereinfacht die sowjetische Staatsbürgerschaft zu erteilen sowie die Ressourcenausbeutung produktiver voranzutreiben.

    Die Geschichte lebt
    Am Morgen des nächsten Tages fährt der Zug in die bezirksfreie Stadt Jiuquan in der Provinz Gansu ein. Die letzte Station vor Xinjiang befindet sich in einer Halbsteppe. Jiuquan hat internationale Berühmtheit erlangt, seit hier ein Kosmodrom errichtet wurde, von dem die Mehrzahl der »Shenzhou«-Raketen für den Bau einer chinesischen Raumstation gestartet wird. Während die Touristenscharen das chinesische Baikonur bestaunen, nutze ich den Kurzstopp, um die Grabstätte des legendären Heerführers Huo Qubing zu besuchen.

    Um 100 v. u. Z., während der westlichen Han-Dynastie, litt das kurzzeitig zweigeteilte chinesische Reich unter wiederholten Überfällen und Brandschatzungen durch die Xiongnu, die mutmaßlichen Vorgänger der Hunnen. Der junge General Huo hatte entgegen allen militärischen Doktrinen mit Hilfe einer Nadelstichtaktik – kurze Vorstöße und Terrorisierung der Zivilbevölkerung – die Barbaren wirksam eindämmen können. Die Grabstätte für den an der Pest verstorbenen General ist mit einem kitschigen Denkmal aus Sandstein versehen, das den Geehrten in der Mitte von Soldaten und Bauern zeigt. Der martialisch aussehende Huo macht zwischen den ergebenen Blicken des Volkes einen anachronistischen Eindruck. Vielleicht drückt sich hierin auch die Sorge über das Kommende aus. Schließlich wurden aus den Barbarenstämmen die Horden, denen die Kriegsherren Dschingis Khan und Tamerlan entstammen. Im Jahr 1271 ließ sich der Mongole Kublai Khan zum chinesischen Kaiser ausrufen. Aufgrund der Verwandtschaft des Kublai Khans mit dem Herrscher des Tschaghatai-Khanats⁷ wurde Xinjiang faktisch aufgegeben. Erst 500 Jahre später konnte der Qing-Kaiser Qianlong erfolgreich die Gebiete zurückerobern.

    Seither gehört die Region ununterbrochen zu China. Die islamisch geprägte Bevölkerung besteht aus Uiguren, Kasachen, Kirgisen, Hui, Mongolen, Xiben, Russen, Tadschiken, Usbeken, Tataren, Manchu und Dachuren. Die Uiguren stellen, anders als behauptet, keine ethnische Einheit dar. Der ethnonymische Begriff »Uigure« ist eine von den Chinesen verwendete Fremdbezeichnung für verschiedene Stämme in Zentralasien. Es galt lange Zeit als strittig, ob es sich bei den Uiguren um eine ethnische oder politische Zugehörigkeit handelte. Diese Zweifel wurden erst 1921 auf dem Ersten Gesamttürkischen Kongress in Taschkent beseitigt. Auf Druck Sowjetrusslands wurde damals unter Bezugnahme auf Stalins Nationalitätenpolitik den Uiguren der Volkscharakter zugebilligt. Dabei erscheint es äußerst fragwürdig, worin sich die Uiguren wegen ihres Taranqi-Dialektes von den anderen Erben der Köktürken unterscheiden sollen.

    Vor dem Himmlischen Gebirge
    Mit der Einfahrt in die autonome Provinz verändert sich die Landschaft schlagartig. Die schon vorher kahle Steppe ist einer Wüste gewichen. Ausschließlich der schmale Korridor zwischen den tibetischen und mongolischen Plateaus macht die Durchfahrt in der ansonsten lebensfeindlichen Umgebung möglich. Die zehnstündige Fahrt durch diese Mondlandschaft und durch endlose Baumwollplantagen endet in der Provinzhauptstadt Ürümqi. Die Gebirgslandschaft des Tian Shan (Himmelsgebirge) erstreckt sich unweit der uigurischen Metropole und schafft ein beeindruckendes Panorama. Dieser Gebirgszug trennt das Reich der Mitte von der einstigen Sowjetunion.

    In der kleinen Provinzhauptstadt, so die Worte des Taxifahrers, leben 1,6 Millionen Menschen. Der erste Eindruck hinterlässt ein positives Bild von einer modernen und sauberen Stadt, die sich hinsichtlich ihrer Quirligkeit kaum von den Provinzstädten des Südens unterscheidet. Mit dem Besuch des Großen Basars ändert sich mein Eindruck: eine Touristenmeile, an deren Ständen überteuerter Nippes dargeboten wird, wobei, zu meiner Überraschung, das händlertypische Feilschen verpönt ist.

    In dieser sino-orientalischen Kulisse sticht ein Militärcheckpoint hervor. Auf einem gepanzerten Fahrzeug stehen zwei Han-Soldaten, ihre Typ-95-Sturmgewehre mit aufgepflanztem Bajonett im Anschlag. Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, wie es einem deutschen Fernsehteam in den Fingern jucken würde, dieses Bild in der Totalen aufzunehmen. Dabei erinnern diese schmächtigen Soldaten eher an die Wachmannschaften vom Platz des Himmlischen Friedens. Im Allgemeinen erscheinen die Sicherheitsvorkehrungen denen in Beijing ähnlich. Beschränkungen oder gar Kontrollschikanen muss ich zu keinem Zeitpunkt zu erdulden. Im Gegenteil. Auf dem Internationalen Flughafen von Ürümqi fällt der laxe Umgang mit den Sicherheitsvorkehrungen auf – obwohl zu diesem Zeitpunkt die 19. Asienspiele in Hangzhou stattfinden.

    Die endlose Steppe
    Nachdem sich das kleine Passierflugzeug über den Tian Shan gemüht hat, erstreckt sich die endlose Steppe der zentralasiatischen Republik Kasachstan unter uns. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer chinesischen Rechtsanwältin, die auf meine Frage, ob Taiwan im Vergleich zu Xinjiang nicht das kleinere Problem sei, mit Unverständnis antwortete: »Wir hatten immer Probleme in dieser Region, aber wir haben es jedes Mal wieder hinbekommen. Xinjiang gehört zu China.« In der Sowjetunion wird man wohl nicht minder selbstbewusst über die zentralasiatischen Republiken gesprochen haben, deren islamo-nationalistische Wiederbelebung mit großrussischer Überheblichkeit abgetan wurde. Dabei ist Xinjiang aufgrund seiner geographischen Lage, des Ressourcenreichtums und der militärischen Bedeutung eine der Schlüsselregionen im eurasischen Großraum. Mithin von strategischer Wichtigkeit für die Vereinigten Staaten von Amerika.

    Im Jahr 2018 hatte Oberst a. D. Lawrence Wilkerson, ehemaliger US-Stabschef in Afghanistan, eingeräumt, dass einer der drei Hauptgründe der Afghanistan-Besetzung – an Xinjiang angrenzend – in der Eindämmung der Volksrepublik China bestand.⁸ Da diese Strategie jedoch nicht aufgegangen sei, müsse China, so Lawrence, von innen statt außen destabilisiert werden. Dafür könnte die CIA Unruhen unter den Uiguren organisieren, um Druck auf Beijing zu erzeugen. Nach diesem Affront waren die westlichen Medien darauf bedacht, die Aussagen des Obersts als bedauerliche Einzelmeinungen oder gar als Fake News aus Beijing abzutun. Gleichzeitig blieb die Berichterstattung über Vorkommnisse in Xinjiang auffällig tendenziös. Grundsätzlich werden dortige Polizeimaßnahmen als unbegründet dargestellt, wird die Existenz von Konzentrationslagern behauptet⁹, während uigurische Terroristen als solche nicht benannt bzw. in Anführungszeichen gesetzt werden.

    In Anbetracht dieser geopolitischen Lage fragt sich, ob die schwadronierenden »Experten« in Washington, London, Brüssel oder Berlin sich überhaupt im Klaren sind, was sie mit ihrer verantwortungslosen Politik anrichten. Ist ihnen denn nicht bewusst, dass sie die Lunte an ein Pulverfass halten, das die gesamte Welt ins Chaos stürzen könnte?

    Anmerkungen

    1 Deutschlandfunk, 17.1.2024

    2 How to Avoid a Great-Power War, Foreign Affairs Podcast, 2.5.2023, https://t1p.de/Milley

    3 Der »Hexi-Korridor« ist ein schmaler, langgestreckter Landstreifen in Xinjiang, zwischen dem Kunlun-Gebirge im Süden und dem Tian-Shan-Gebirge im Norden. Der Begriff »Hexi« bedeutet »westlich der Pässe« und bezieht sich auf die historische Bedeutung als Durchgangsroute entlang der Seidenstraße. Diese Region spielte eine zentrale Rolle als Handels- und Kulturweg während der Ära der historischen Seidenstraße, aufgrund seiner strategischen Lage als Hauptverbindungsweg zwischen China und dem westlichen Teil des Kontinents.

    4 Die Zweite Ostturkestanische Republik erstreckte sich geographisch über den Nordwesten der Region Xinjiang. Diese unabhängige Republik, die von Uiguren und anderen muslimischen Gruppen beansprucht wurde, existierte von 1944 bis 1949.

    5 Soziale Aufstände in der Region Hami (Kumul) – später die großen Teile von Xinjiang – von 1931 bis 1934 führten zur Unabhängigkeitsbewegung unter Führung verschiedener Sufi-Orden.

    6 Cold War International History Project Bulletin, 12/13, 2001, S. 254, https://t1p.de/CWIHP

    7 Das Tschaghatai-Khanat war ein zentralasiatisches Khanat, das im 13. Jahrhundert gegründet wurde und ein Teil des Mongolischen Reiches war. Es erstreckte sich über Teile Zentralasiens.

    8 What Is The Empire’s Strategy?, Ron Paul Institute, 22.8.2018, https://t1p.de/wilkerson

    9 Vgl. Human Rights Foundation, What’s Happening In China’s Concentration Camps?, 13.4.2023, https://t1p.de/hrf

  • Lügnerische Träume
    https://www.jungewelt.de/artikel/470379.psychoanalyse-l%C3%BCgnerische-tr%C3%A4ume.html

    29.2.2024 von Barbara Eder - Margarethe Csonka war die erste und einzige lesbische Analysandin auf der Couch von Sigmund Freud. Eine »Fallgeschichte« aus Wien

    Markante Gesichtszüge, für die Moden der Zeit ungewöhnlich kurze Haare und ein scharfer Intellekt – das sind die ersten Eindrücke, die Sigmund Freud von Margarethe »Gretl« Csonka im Frühjahr des Jahres 1919 zu Papier bringt. Die 18jährige Frau aus großbürgerlichem Haus befindet sich nicht aus freien Stücken auf der Couch des Wiener Psychoanalytikers. Ihre regelmäßigen Treffen mit einer rund zehn Jahre älteren Frau, die Freud auch als »Dame ›aus der Gesellschaft‹«¹ bezeichnete, hatten ihren Vater Aspad Csonka dazu veranlasst, einen Arzt zu konsultieren. Das Oberhaupt der wohlsituierten Wiener Industriellenfamilie aus Lemberg fürchtet um sein Ansehen: Seine Tochter trifft sich seit mehr als einem halben Jahr mit der preußischen Gräfin Bertha Hermine Leonie von Puttkamer und küsst ihr vor jedem Abschied zärtlich die Hand.

    Sigmund Freud ist zu Beginn der Analyse nur wenig über sein Gegenüber bekannt. Aus der dürftigen Informationslage sollte dennoch eine psychoanalytische Meistererzählung werden, die im Jahr 1920 erstmals veröffentlicht wurde. Sie trägt den Titel »Über die Psychogenese eines Falles von weiblicher Homosexualität« und sieht Exkursionen in ein noch unbekanntes Territorium vor. Freud gesteht sich ein, dass er bislang über keinerlei therapeutische Erfahrung mit homosexuellen Frauen verfüge, der ihm unterbreitete Auftrag erscheint ihm nur bedingt als sinnvoll: »Im allgemeinen ist das Unternehmen, einen vollentwickelten Homosexuellen in einen Heterosexuellen zu verwandeln, nicht viel aussichtsreicher als das umgekehrte, nur dass man dies letztere aus guten praktischen Gründen niemals versucht«², heißt es bereits auf den ersten Seiten der »Psychogenese« – und es klingt wie ein frühes Resümee zu einem unmöglichen Versuch. Trotz erheblicher Zweifel lehnt Freud die ihm zugetragene Aufgabe nicht ab – in den kargen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ist auch er auf die in Aussicht gestellte Entlohnung angewiesen.

    Unheimliche Couch
    Für Margarethe Csonka hat das Therapiezimmer in der Berggasse 19 von Beginn an nichts Heimeliges an sich, ihre »Talking Cure« ist fremdverordnet. Der gesellschaftliche Druck zur heterosexuellen Norm erwies sich als so groß, dass Gretls Eltern selbst auf die Wirkung einer dazumal gering geschätzten Lehre vertrauten. Wo familiäre Autoritäten »die Machtmittel der häuslichen Disziplin«³ vergeblich gegen die eigene Tochter angewandt hatten, soll nun die Analyse Wunder bewirken. Bleibt sie ohne Effekt, droht die Zwangsverheiratung – als letztes Mittel, um die Tochter auf den gesellschaftlich geachteten Weg zurückzubringen.

    Sie selbst ist frisch verliebt und verspürt keinerlei Leidensdruck. Bei einem Sommerurlaub im Hotel Panhans am Semmering hat Margarethe ihre spätere Freundin Leonie von Puttkamer in Begleitung von Klara Waldmann erstmals gesehen. Zurück in Wien machte sie ihre Adresse ausfindig. Gretl wird Leonie fortan jeden Tag von der Kettenbrückengasse bis zum Naschmarkt begleiten, bei einem dieser Spaziergänge trifft das junge Paar unerwartet auf Margarethes Vater – und die Schwierigkeiten beginnen.

    Dass es Margarethe »ein dringendes Bedürfnis sei, von ihrer Homosexualität befreit zu werden«⁴, kann Freud nicht im Geringsten feststellen. In seinen Aufzeichnungen lässt er sie dahingehend immer wieder indirekt zur Sprache kommen: »Sie könne sich im Gegenteil gar keine andere Verliebtheit vorstellen, aber, setzte sie hinzu, der Eltern wegen wolle sie den therapeutischen Versuch ehrlich unterstützen.«⁵ Autoritäten sind schlechte Ratgeber – nicht nur in Gesprächen über psychische Tiefenschichten. Margarethe schweigt und ihr Schweigen hat gute Gründe. Sie wird Freud auch als »alten, stinkenden Mann« bezeichnen, seine Fragen findet sie zudringlich und indiskret zugleich. Denkwürdiger noch als Gretls bisherige Beziehungen zu Frauen, über die sie nur vage Auskünfte zu erteilen bereit ist, erscheint diesem ihre aktuelle. Freud nennt Margarethes Geliebte eine »Kokotte« und unterstellt dieser, »von der Preisgabe ihres Körpers«⁶ zu leben. In Gretes Verliebtheit sieht er anfangs nicht viel mehr als den Versuch, die Freundin aus falschen Verhältnissen zu befreien, ihre Zuneigung resultiere aus »einem großen Mitleid und in der Entwicklung von Phantasien und Vorsätzen, wie sie die Geliebte aus diesen unwürdigen Verhältnissen ›retten‹ könne«.⁷

    Realiter ist alles anders: Als Geliebte von Klara Waldmann und Mätresse von deren Ehemann Ernst findet Baronin Puttkammer, die einen ausufernden Lebensstil gewohnt ist, in einer Ménage à trois mehr als ein bescheidenes Auskommen. Zuerst lebt sie mit dem Ehepaar Waldmann in einem Haus in der Klöstergasse, später in einer ihr von Graf Apponyi zur Verfügung gestellten Wohnung am Arenbergring Nummer 12. Dort wird sie sich von Gretl aus Felix Saltens Roman »Josefine Mutzenbacher« vorlesen lassen, die troubadourhafte Pose der jüngeren Verehrerin imponiert. Freud bringt die Freizeitaktivitäten des lesbischen Liebespaares klischeehaft in Verbindung mit der Dekadenz des Fin de Siècle und stößt sich immer wieder am »schlechten Ruf der ›Dame‹«⁸ aus der Wiener Demimonde. Um ihre Liebe zur Gräfin wider Willen zu kurieren, muss Margarethe Csonka fünfmal pro Woche die therapeutische Praxis in der Wiener Berggasse aufsuchen. Nach jeder Sitzung trifft sie ihre Freundin Leonie heimlich im Café Herrenhof.

    Befreite Liebe
    Wo eine Vorliebe für mythologische Repräsentationen auf das narrative Medium der Fallgeschichte trifft, entstehen Bilder von Frauen, die mit Bühnenfiguren mehr gemein zu haben scheinen als mit realen Personen. Auf der Landkarte der Psychoanalyse verdichten sich Haustor und Trambahnhaltestelle zu einer Kartographie, die das Hier und Jetzt zufälliger Begegnungen nicht länger kennt. Freuds Detektivgeschichte über die Entstehung gleichgeschlechtlichen Begehrens stützt sich auch auf steckbriefartige Beschreibungen von Außenstehenden. Demnach soll Margarethe besonderen Gefallen daran gefunden haben, sich »öffentlich in belebten Straßen mit der anrüchigen Geliebten zu zeigen«.⁹

    Wo das Liebespaar sich nicht länger verstecken will, wittert Freud eine stark ausgeprägte Schau- und Exhibitionslust; der kurze Moment des Sichtbarseins hatte jedoch andere Ursachen – und fatale Folgen: Als Gretl und Leonie auf der Straße von Arpad Csonkas zornigem Blick taxiert werden, endet dieser Zwischenfall nahezu letal. Margarethe stürzt sich über eine Mauer der nahe gelegenen Wiener Stadtbahn und kommt mit gebrochenen Rippen und einem längeren Krankenhausaufenthalt davon. Die Liebenden dürfen sich nicht offen zeigen – die gesellschaftlichen Sanktionen sind zu groß. Unter dem Vorwand, seiner Analysandin weitere Beschämungen ersparen zu wollen, bedient Sigmund Freud sich eines technischen Tricks. Er versucht die bislang versperrten Wege zu einer latent vorhandenen Heterosexualität in Margarethes Psyche freizulegen – und er tut dies, indem er dort eine bisexuelle Orientierung annimmt, wo sich eine ausschließlich homosexuelle zeigt. Insgeheim hofft der Analytiker auf eine nur schwache Ausprägung der Liebe zu Personen des gleichen Geschlechts und plädiert in paternalistischer Manier dafür, »der homosexuell eingeengten Person den bis dahin versperrten Weg zum anderen Geschlechte frei machen«¹⁰ zu wollen. Gelingt dies, dann läge es nunmehr in Margarethes Hand, die heterosexuelle Lebensform für sich zu akzeptieren.

    Anders als angenommen, gestaltet sich das Freischaufeln unbewusster Verbindungen mehr als schwierig: Was verschollen geglaubt, lässt sich aus den Tiefenschichten der Psyche nicht ohne weiteres bergen. Angesichts des geringen Erfolges seiner Strategie gerät Sigmund Freud immer wieder in Erklärungsnotstand. Um darüber hinwegzutäuschen, bedient er sich eines rhetorischen Werkzeuges: Er setzt auf eine Art »Kippschalter«, mit dem man zwischen Bewusstem und Unbewusstem »switchen« kann. Legt man den Hebel im richtigen Moment um, sorgt dies für den fließenden Übergang zwischen unterschiedlichen Bewusstseinsniveaus. Freud durchforstet das Unbewusste seiner Analysandin fortan nach heterosexuellen Phantasien und Wunschvorstellungen und versucht, diese nachträglich dem Bewusstsein zu überführen. Er befragt Margarethe nach ihren Träumen und sie erfindet sie frei. Gretl spricht von einer bislang verborgenen Sehnsucht nach einer Familie und Kindern, die Erwartungshaltung ihres Gegenübers stellt sie damit mehr als zufrieden. Dem Anschein nach erfüllt sie alle Ansprüche von Eltern und Analytiker, allerdings mit dem Ziel, aus der Analyse endlich heraus- und in die freie Liebe zu einer Frau einzutreten.

    Freud fühlt sich von Margarethes Träumen anfangs angesprochen – und stellt auch gleich eine »Heilung der Inversion« in Aussicht. Als der Druck endlich nachlässt, verändert Gretl jedoch die Regeln des Spiels und revidiert alle bisherigen Ausführungen zu ihrem Traumleben. Heiraten würde sie nur, »um sich der Tyrannei des Vaters zu entziehen und ungestört ihre wirklichen Neigungen zu leben«¹¹; zudem habe sie von ihrer Geliebten gelernt, dass man sexuelle Beziehungen zu Männern und Frauen gleichzeitig unterhalten könne – ob verheiratet oder nicht. In Reaktion darauf muss Freud enttäuscht feststellen, wovon Margarethe in Wirklichkeit träumt. Er sieht sich betrogen und bezichtigt sie der lügnerischen Träume.

    Maskenball der Identitäten
    Margarethe kämpft um ihre Geliebte – und hält bis zum Ende der Analyse stand. Freud hingegen muss erkennen, dass nicht er die primäre Liebesadresse seiner Analysandin gewesen ist und sie den Traum vom heterosexuellen Familienleben nur fingiert hat. Sich nicht länger in der Position des Vaterstellvertreters wähnend, erklärt er die psychoanalytische Übertragungsreaktion für gescheitert – eine Kränkung, die er zur Folge einer verspäteten »Rachebefriedigung« Margarethes an ihrem Vater ummünzt. Alles Weitere sei Ausdruck eines handfesten »Männlichkeitskomplexes«: Im Zuge des Vergleichs der eigenen Genitalien mit denen ihrer Brüder habe Margarethe einen »mächtigen Penisneid entwickelt, dessen Abkömmlinge immer noch ihr Denken erfüllten«¹²; ein solcher sei infolge der Zurückweisung durch die Mutter, welche die Brüder bevorzuge, noch bestärkt worden und führe zu einem unglücklich konstellierten »Triebschicksal«: Nicht die Zuneigung zu einer anderen Frau, sondern die mit dem Liebesentzug der Mutter gepaarte Ablehnung des Vaters hätten aus Margarethe eine lesbische Frau gemacht; im gesellschaftlichen Spiel der Geschlechter nimmt sie fortan die männliche Rolle ein.

    Offenbar ist Homosexualität für Freud nichts, das man aus freien Stücken leben kann, eine ihrer Ursachen bestehe im »Trotz gegen den Vater«. Er trennt des Weiteren nicht zwischen dem sozialen Geschlecht, der geschlechtlichen Identifikation (Gender) und der sexuellen Orientierung einer Person, statt dessen entsteht ein fataler Kurzschluss: Freud versteht Homosexualität nicht als unabhängig vom »biologischen« Geschlecht (Sex), er vermutet sogar eine hermaphroditische Grundausstattung bei vielen Homosexuellen. Demnach erscheint ihm Margarethe auch in immer eigentümlicheren Maskeraden: »Sie wandelte sich zum Manne und nahm die Mutter anstelle des Vaters zum Liebesobjekt«¹³, schreibt Freud an einer Stelle der »Psychogenese«. Aus der geschlechterübergreifenden Identifikationen wird wenig später purer Drag: Zuerst ist die von Margarethe geliebte Frau eine, die den von ihrer Liebhaberin gehassten Bruder imitiert. Gretl selbst wird hingegen zu einer Tochter, die ihren Vater liebt, um anschließend zu einem Knaben zu werden, der eine Dame liebt. Auf diese Weise versuche sie, jene Person zurückzuerobern, die ihr der jüngere Bruder streitig gemacht habe: die Mutter. Gretls Geliebte wäre demnach nichts anderes als ein veritabler Ersatz für Vater und Mutter zugleich.

    »Lebhaft, rauflustig, durchaus nicht gewillt, hinter dem wenig älteren Bruder zurückzustehen«¹⁴ – diese Eigenschaften teilt Margarethe Csonka mit Tomboys und Frauen aus der Arbeiterklasse über die Jahrhunderte hinweg. Sie verstand sich zeitlebens auch als Frauenrechtlerin und stellte sich den Geschlechterungleichheiten und Diskriminierungen ihrer Zeit mutig entgegen. Ihre politische Überzeugung ist für Freud indes nicht viel mehr als ein innerpsychischer Effekt – für die sozialen Veränderungen seiner Zeit hatte er kein besonders ausgeprägtes Sensorium. Bereits in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zeichnete sich jedoch ein langsamer Abschied von einem dualistisch ausgerichteten Geschlechtermodell und dessen heteronormativen Beziehungsweisen ab. Im Gefolge einer erstarkenden Frauenbewegung und den homosexuellen Emanzipationsbestrebungen der aufkommenden Schwulenbewegung, erhielten bislang dominante Geschlechterbilder erste Risse. Mit der Gründung von Magnus Hirschfelds »Wissenschaftlich-humanitären Komitees« im Jahr 1897 und einem einschlägigen Institut für Sexualwissenschaft in Berlin, fand die Idee vom »dritten Geschlecht« zunehmend Verbreitung. Anstelle eines dualen Modells schlug Hirschfeld eines der sexuellen Zwischenstufen und polymorphen Übergänge zwischen den Geschlechtern vor, und setzte sich für die Abschaffung des in Deutschland auf die Kriminalisierung männlicher Homosexualität ausgerichteten Paragrafen 175 ein. Im Januar 1898 legte er gemeinsam mit August Bebel eine Petition zu einer dahin gehenden Veränderung des Strafrechtes im Reichstag vor.

    Fall- und andere Geschichten
    Die psychoanalytische Fallgeschichte ist Bestandteil einer Erzählpraxis, die sich aus der mündlichen Weitergabe von Geschichten entwickelt hat. Aus der Rekonstruktion von Ereignissen, Träumen und Begegnungen ist eine Textsorte entstanden, in der sich literarische und wissenschaftliche Verfahrensweisen immer wieder vermischen. Der positivistische Anspruch, eine Krankengeschichte möglichst lückenlos darzustellen, wird von phantastischen Szenarien und mythologischen Referenzen konterkariert, neben messbaren Daten verhandeln Fallgeschichten auch Obsessionen und Imaginationen. Sprachliche Vielschichtigkeit ist dabei nicht bloß ästhetische Zugabe, sondern eine der Voraussetzungen für das, was bis heute psychoanalytische Erkenntnisarbeit genannt wird.

    Freuds Schriften sind nicht nur von mythologischen Referenzen durchzogen. Er äußerte durchaus auch Vermutungen und Hypothesen, die sich vom heutigen Standpunkt aus als sexualwissenschaftlich progressiv einordnen lassen. In seinen »Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie« von 1905 stellte Freud etwa Spekulationen darüber an, ob der »psychosexuelle Geschlechtscharakter« – also das gefühlte Geschlecht – und die Objektwahl – die sexuelle Orientierung einer Person – unabhängig voneinander existieren könnten, »Triebe« bezeichnete er darin auch als Abkömmlinge mythologischer Wesen.

    jW-Shop, Broschüre 75 Jahre junge Welt
    Diese und ähnliche Erkenntnisse blieben im Fall der »Psychogenese« ohne nennenswerte Konsequenzen. Margarethes therapeutische Sitzungen endeten nach einer Sommerpause am Semmering im September 1919, am Ende blieben die meisten Fragen offen. »Ich brach also ab, sobald ich die Einstellung des Mädchens zum Vater erkannt hatte, und gab den Rat, den therapeutischen Versuch, wenn man Wert auf ihn legte, bei einer Ärztin fortführen zu lassen«¹⁵, resümiert Freud die gescheiterte Analyse – und empfiehlt anderswo ihre Fortsetzung.

    Sigmund Freud hatte für die queeren Existenzweisen seiner Zeit kein ausreichendes Bewusstsein. Auch aus diesem Grund ermangelt es seiner »Fallgeschichte« nicht an sexistischen Implikationen und homophoben Unterstellungen. Die Charakterzeichnung seiner Analysandin reicht von dekadent bis latent heterosexuell. Homosexuelles Begehren bleibt darin an die Kategorie der »verfehlten Weiblichkeit« oder die des »männlichen Protests« gebunden – keineswegs aber ist sie normal und einfach da. Über die Positivität des Begehrens von Frauen verliert Freud in der »Psychogenese« nicht viele Worte, über die zeitgenössischen Codes lesbischer Liebe ebenso wenig. Für seine Interpretationen hatte die inzwischen 19jährige Gretl Csonka nur einen distanzierten Blick übrig. Fast gelangweilt reagierte sie auf die Erläuterungen des Analytikers, der sie durch das Weltmuseum der Psychoanalyse führte.

    Im September 1919 ordinierte Anna Freud noch nicht in einem der Nebenzimmer der Berggasse 19, und Margarethe Csonka, deren Geschichte unter dem Pseudonym Sidonie »Sidi« Csillag mehr als ein halbes Jahrhundert später der Öffentlichkeit bekannt wurde, hatte andere Sorgen. Am Vorabend der Machtübernahme der Nazis ist die homosexuelle Frau aus einer zum Katholizismus konvertierten Familie von Mehrfachdiskriminierungen betroffen, erst im Jahr 1940 gelingt ihr die Flucht aus dem seit 1938 zum »Dritten Reich« gehörigen faschistischen Österreich. Ihr Zuhause hat Margarethe Csonka auf einem Schiff für Auswanderer hinter sich gelassen – und mit ihm auch die Wiener Couchgeschichten.

    Exil in Kuba
    Erzwungene Nähe kann fatale Folgen haben, Seelenstriptease auch. Margarethe Csonka soll Freuds Couch in einer Mischung aus Erleichterung und Befreiung verlassen haben, rund zehn Jahre später zwingen sie die gesellschaftlichen Verhältnisse dennoch zur Heirat. Im Mai 1930 vermählen sich Margarethe Csonka und Eduard Rzemenowsky von Trautenegg in Wien, nach wenigen Wochen verlangt sie die Scheidung. Die Ehe wurde am Ende nicht geschieden, sondern annulliert: Am 13. September 1938 sorgte ein Dekret der Nazis für ihre Auflösung, demnach seien »Mischehen« ungültig, wenn einer der Ehepartner vor der Hochzeit dem anderen die Zugehörigkeit zur »jüdischen Rasse« verschwiegen hatte. Da die jüdische Geschichte ihrer Familie für Gretl nie Thema war, hatte sie mit ihrem Mann nicht darüber gesprochen. Und so war sie von einem Tag auf den anderen wieder unverheiratet.

    Leonie Puttkamer kehrte 1923 von Berlin nach Wien zurück. In Berlin hatte sie die Schauspielerin und Tänzerin Anita Berber kennengelernt, für die sich Margarethe Csonka später begeisterte. Auch Leonie ging eine Ehe ein, die nur von kurzer Dauer war. Nach den ersten Streitigkeiten wurde sie von ihrem Exmann Albert Geßmann, der als Präsident des österreichischen Landwirtschaftsamtes eine hohe politische Stellung innehatte, der versuchten Vergiftung bezichtigt. Im Jahr 1924 kam es zur Anklage, sie endete mit einem Freispruch für Leonie. Im August 1940 trifft sie Margarethe ein letztes Mal in Berlin, 1953 stirbt sie vor Ort.

    Bereits zu Beginn des Jahres 1940 hatte sich Margarethe Csonka-Trautenegg darum bemüht, einen Platz auf einem Schiff und ein Visum für Kuba zu bekommen. Sie sah sich dazu gezwungen, die Hilfe einer Auswandereragentur in Anspruch zu nehmen und erreichte im Dezember 1940 nach mehrmonatiger Reise die karibische Insel. Die Reise verlief ostwärts. Zuerst gelangte sie von Berlin nach Königsberg, später nach Moskau. Am 18. August 1940 bestieg sie die Transsibirische Eisenbahn, Wochen später kam sie in der Mandschurei an. Margarethe reiste weiter nach Japan und überbrückte dort eine längere Wartezeit. Am 24. Oktober schiffte sie sich ein, um den Pazifik zu überqueren, am 7. November erreichte sie Honolulu, am 17. November San Francisco; Anfang Dezember folgte Balboa am Panamakanal. Dort bestieg die Emigrantin aus Wien am 24. Dezember 1940 das vorerst letzte Schiff und kam drei Tage später in Havanna an.

    Die letzten Jahre des Naziregimes hat Margarethe Csonka also auf Kuba überlebt, wo sie auch ihr früheres Hobby, die Porträtmalerei, wiederentdeckte; 1949 kehrte sie über Paris nach Wien zurück und landete erneut in der Fremde. Sie hat nichts Eigenes, findet einige der von ihrem Exmann Eduard aufbewahrten Gegenstände und verkauft sie ans Dorotheum. Margarethe muss erstmals arbeiten, um zu überleben – sie gibt Sprachunterricht und lukriert kleine Einnahmen aus ihren Porträts.

    Die Freiheit, zu lieben
    Weite Teile ihres Lebensabends verbringt sie auf Reisen: 1966 landet sie in Florida, wo sie ihren Bruder Ernst trifft, 1976 reist sie nach Bangkok und dann erneut nach Kuba – ihre Liebe zu Frauen bleibt auch unterwegs bestehen, sie währt ein Leben lang. Anfang der Neunzigerjahre findet Margarethe Csonka mit Unterstützung von Freundinnen einen Platz in einer gemeinnützigen Einrichtung der katholischen Kirche in Wien-Schönbrunn. Im Caritas-Wohnheim für Rentnerinnen trifft sie sich mit Freundinnen und spielt Bridge, 1999 stirbt sie im hundertsten Jahr ihres Lebens.

    Gretl Csonkas Biographie erzählt von einem lesbischen Leben gegen alle Widerstände, von heimlichen Lieben und den heterosexuellen Tarnungsmanövern zwischendurch: Um sich freizuspielen, erfand sie Freud gegenüber einen lügnerischen Traum, der zum Ende einer unfreiwilligen Analyse führte. Oft wird Gretls Leben auf jene vier Monate reduziert, die sie zwangsweise auf Sigmund Freuds Couch verbrachte, ihre Homosexualität konnte auch er ihr nicht nehmen. Trotzig verteidigte sie ihr gleichgeschlechtliches Begehren gegenüber dem Analytiker und ihren Eltern, die allgemein ablehnende Haltung gegenüber Homosexuellen hatte jedoch auch Margarethe internalisiert. Die Drohungen durch den in Österreich erst im Jahr 1971 abgeschafften Paragraphen 129 Ib, mit dem »Unzucht wider die Natur« von Frauen und Männern mit bis zu fünf Jahren schweren Kerkers bestraft werden konnte, blieben fast ihr ganzes Leben lang aufrecht, und Gretl drängte dies immer wieder zu großer Vorsicht. »Freud war ein Trottel«¹⁶ – so lautete ihr abschließender Kommentar zu den Wiener Therapiegesprächen. Margarethe Csonka sollte damit das letzte Wort behalten – für ein Leben, in dem sie sich die Freiheit nicht nehmen ließ, zu lieben, wen sie wollte.

    Anmerkungen

    1 Sigmund Freud: Über die Psychogenese eines Falles von weiblicher Homosexualität (1920), in: ders.: Studienausgabe Band VII, hrsg. von Alexander Mitscherlich, Angela Richards und James Strachey. Frankfurt am Main 2000, S. 257–281, hier: S. 257

    2 Ebd., S. 261

    3 Ebd., S. 258

    4 Ebd., S. 263

    5 Ebd.

    6 Ebd., S. 271

    7 Ebd.

    8 Ebd., S. 270

    9 Ebd., S. 258

    10 Ebd., S. 260

    11 Ebd., S. 274

    12 Ebd., S. 278

    13 Ebd., S. 268

    14 Ebd., S. 278

    15 Ebd., S. 273

    16 Ines Rieder und Diana Voigt veröffentlichten im Jahr 2000 erstmals die Biographie von Margarethe Csonka, die Autorinnen sind für die Pseudonymisierung ihres Namens verantwortlich. Ihre Aufzeichnungen beruhen auf zahlreichen Interviews mit Gretl Csonka, aus denen auch dieses Zitat stammt. Vgl. Ines Rieder und Diana Voigt: Die Geschichte der Sidonie C. Sigmund Freuds berühmte Patientin, Wien 2012

    Barbara Eder ist Soziologin und Publizistin aus Österreich.

  • Westeuropa Sohn
    Poète maudit aus dem Ramschladen: Zum Tod des genialischen Popmusikers Kiev Stingl (1943 - 2024)
    https://www.jungewelt.de/artikel/470447.popgeschichte-westeuropa-sohn.html


    Wirrkopf, Sexist, Phantom: Kiev Stingl 1991 in seiner Berliner Arbeitsbibliothek

    Hart wie Mozart
    https://www.youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_m7maem_mps4JZ34mSMDcUoqEV5_TjfODU

    1.3.2024 von Maximilian Schäffer - »Ab sofort verbiete ich, Kiev Stingl, der Sprecher der deutschen Schweinenation, sämtlichen Jugendlichen, Staatsnegern und sonstwem, den Keuchakt loszuficken.«

    Kiev Stingl (15.3.1943 bis 20.2.2024), Präsident im Reich der Träume, spricht in Zungen

    In der 1-Euro-Kiste vor dem Laden fand ich ihn, 2020. Unterste Bückware zwischen Volksmusik und Kinderhörspiel. Nicht einmal ins Abteil »Deutsch« hatten sie ihn gepfercht, noch ins Fach »NDW« verramscht. »Kiev Stingl – Hart wie Mozart« prangte auf dem Cover, das aussah wie eine Ausgabe des Spiegel von 1979. Geiler Name, geiler Titel. Wieso will den keiner, kennt den keiner? Ich legte den Euro auf den Tisch, und staunte noch mehr, als ich es zum ersten Mal hörte: »Es lebe die Sowjet­union, nieder mit dem Zar! (…) Ich bin Frank Sinatras Westeuropa Sohn!« Unbestreitbar eine Hymne, dazu erstklasssig aufgenommen und produziert. Diese Stimme aus Ethanol, Nikotin und Testosteron, die 40 Minuten lang nur Sex raunzt. Und hätte ich hundert Euro bezahlt gehabt – sowas hatte ich von der BRD nicht erwartet.
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    Kiev hingegen hatte von der BRD nichts zu erwarten. Seine Karriere versaute er gründlich und notwendigerweise aus purem individuellen Drang. Eine einzige Tournee versenkte er in allen möglichen Drogen. Im Hessischen Rundfunk rabulierte er gegen Feministinnen, warf Bierflaschen nach dem Aufnahmeleiter (siehe obiges Zitat). Nach Rock und Art-Punk wollte er auf einmal Disco machen, danach Post-Industrial mit der Hälfte der Einstürzenden Neubauten. Er sah gut aus und klang ebenso gut, hätte das Zeug gehabt, dem braven Genuschel eines Udo Lindenberg die Selbstverständlichkeit der eigenen Geilheit im Dienste von mindestens zwei Generationen Punks entgegenzusetzen. Das Messianische allerdings pflegte er eher im Halbprivaten, wollte lieber ein Phantom sein als Legende – so predigte er es mir noch letztes Jahr zu seinem 80. Geburtstag im Interview. Auch Raubtiere – Kiev Jaguar Stingl nannte er sich kurz selbst – sind die meiste Zeit nur scheue Katzen.

    Achim Reichel fand Stingl Mitte der 70er Jahre in Hamburg genauso unvorbereitet, wie ich ihn später in Berlin wiederfand. Im abgedunkelten Zimmer drosch er ihm was auf der Gitarre vor, von »Lila Lippen, Milchkuhtitten!« In seiner Autobiografie »Ich hab das Paradies gesehen« erzählt Reichel von diesem Damaskuserlebnis und seinen Folgen. Drei Alben fertigten sie zusammen: »Teuflisch« (1975), »Hart wie Mozart« (1979) und »Ich wünsch den Deutschen alles Gute« (1981). Reichel, der selbst als Solomusiker sowie mit den Rattles um ein Vielfaches erfolgreicher war als sein unmöglicher Star, hielt Stingl für genial, aber unberechenbar. Die Regisseure Klaus Wyborny, Heinz Emigholz und Christel Buschmann drehten Filme mit Kiev. Letztere setzte ihn in Ballhaus Barmbek neben Christa Päffgen alias Nico – das reale Aufeinandertreffen zweier großer Phantome. Im lange schon verblichenen Kaufbeurer Verlag Pohl ’n’ Mayer erschien 1979 sein Lyrikband »Flacker in der Pfote«, fünf Jahre später »Die besoffene Schlägerei« im Cyrano-Verlag. Sein Alterswerk, ein Dialog aus passionierter Hitlerei und Bumserei, erscheint posthum. »Roman ist fertig!« – war sein letzter Satz auf Whats-App, dann hatte er keinen Bock mehr auf Siechtum.

    Nun fehlt mir der Abstand, um für Zeitungsleser in glaubwürdigem Maße von der Großartigkeit seiner Musik berichten zu können. Natürlich kenne ich sie heute mantrisch auswendig – jeden Song, jede Zeile. Ich kann allerdings davon berichten, was passierte, als ich einst mein Umfeld mit Kiev Stingls Platten zu terrorisieren begann: keinerlei Widerstand. Innerhalb von Wochen bildete sich ein Privatfanclub aus Künstlern, Musikern, Autoren, Barkeepern und Handwerkern im Alter von 18 bis 60. In der Neuköllner Stammkneipe hängten wir bald sein Konterfei über den Tresen, direkt neben den gekreuzigten Messias. Der Chef, bald genervt: »Schon wieder Kiev!?« Aber auch solidarisch: »Wenigstens Kiev!« Wir waren nicht die einzigen, so fand ich heraus: Auch Flake von Rammstein, Dieter Meier von Yello und Hans Joachim Irmler von Faust zählen zu seinen ewigen Fans.

    Irgendwann fand ich mich in Stingls Wohnung wieder. Ein junges, hübsches Mädchen brachte ich ihm mit, das war ihm noch lieber als Cremeschnitten – auch Vanessa sollte später seine Urinflaschen ausleeren. In den vergangenen beiden Jahren sah ich den Berserker deutscher Coolness, den »Einsam Weiss Boy« vom alten Mann zum Greis werden. Wir stritten kokett über Hitler, ich leerte die Pissflaschen aus. Er scheuchte mich durch die zugestellte Altbauwohnung, ich ließ es irgendwie über mich ergehen. In den zartesten Momenten zweier sich halbwegs nahe gekommenen Männer mit 50 Jahren Altersabstand saßen wir uns gegenüber, hatten uns nichts zu sagen übers Leben. »No Erklärungen« heißt ein 2020 erschienener kurzer Dokumentarfilm über ihn. Kiev wusste zuviel, ich noch zuwenig. Ein paar Minuten Stille und Traurigkeit zusammen, weil auch er nicht vergessen werden wollte – so scheißegal ihm alles auch gewesen sein mochte. Kiev Stingl war das konsequent missachtete transgressive Genie der deutschen Popmusik und Beat-Literatur. Er starb am 20. Februar im Alter von 80 Jahren.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kiev_Stingl

    #Allemagne #musique #post-punk

  • Kriegsertüchtigung - Ampel zerlegt Sozialstaat
    https://www.jungewelt.de/artikel/469990.kriegsert%C3%BCchtigung-ampel-zerlegt-sozialstaat.html


    Lindner am Donnerstag abend bei »Maybrit Illner« : »Das Wichtigste ist, dass keine neuen Sozialausgaben dazukommen« 

    La situation est grave. La droite et les libéraux ne se gênent plus. Ils proclament : des canons ou du beurre, il faut choisir. La majorité des allemands paiera pour la guerre. So it goes.

    4.2.2024 von Raphaël Schmeller - Finanzminister Lindner will Aufrüstung mit Kürzungen finanzieren. Armutsforscher spricht von »sozialpolitischer Zeitenwende«

    Die Ampelkoalition will Deutschland kriegstüchtig machen. Und weil das ins Geld geht, führt für Finanzminister Christian Lindner kein Weg an Sozialkürzungen vorbei. Ein »mehrjähriges Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen« sei nötig, um mehr in die Aufrüstung investieren zu können, erklärte der FDP-Politiker am Donnerstag abend bei »Maybrit Illner«. Clemens Fuest, Präsident des kapitalnahen Ifo-Instituts und ebenfalls Gast der ZDF-Sendung, fügte zustimmend hinzu: »Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern Kanonen ohne Butter.« Der Sozialstaat werde noch nicht abgeschafft, »aber er wird kleiner«, so ­Fuest. Auch die dritte in der Runde, die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, sagte, Deutschland müsse mehr Geld in die Hand nehmen, um die Ukraine zu unterstützen und Europa bei der Verteidigung unabhängiger von den USA zu machen.

    In der vergangenen Woche hatte Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz angedeutet, dass Kürzungen bei Renten und Sozialausgaben nötig sein könnten, um die Verteidigungsausgaben langfristig zu erhöhen. »Deutschland investiert dieses Jahr und auch in den kommenden Jahren, in den Zwanziger-, den Dreißigerjahren und darüber hinaus zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung«, so Scholz auf der Konferenz. Er fügte hinzu: »Mein Ziel ist es, dass wir nach dem Auslaufen des Sondervermögens die Ausgaben für die Bundeswehr aus dem allgemeinen Haushalt finanzieren.« Nach Berechnungen des Spiegels würde das im Jahr 2028 Ausgaben von 107,8 Milliarden Euro bedeuten. Zum Vergleich: Der aktuelle Verteidigungsetat des Bundes beträgt 51,9 Milliarden Euro. Um diese Ausgaben zu decken, müsste also an anderer Stelle gekürzt werden – an welcher, hat Lindner nun bekanntgegeben.

    Der Armutsforscher Christoph Butterwegge verurteilte die »sozialpolitische Zeitenwende« der Ampelkoalition am Freitag gegenüber jW. »Was von Christian Lindner als Moratorium erklärt wird, läuft in Wahrheit auf eine Demontage des Wohlfahrtsstaates hinaus. Denn wenn die sozialen Probleme wie bereits seit geraumer Zeit deutlich zunehmen, die Ausgaben aber nicht mehr mitwachsen dürfen, handelt es sich um reale Kürzungen in diesem Bereich«, so Butterwegge. Deutschland stehe vor der Alternative: Rüstungs- oder Sozialstaat. »Setzen sich Bum-Bum Boris Pistorius, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter und Co. mit ihren Hochrüstungsplänen durch, wird sich die schon jetzt auf einem Rekordstand befindliche Armut noch verschärfen.«

    Auch der Bundestagsabgeordnete und BSW-Generalsekretär Christian Leye kritisierte Lindners Ankündigung scharf: »Während Rüstungskonzerne Dividendenpartys feiern, sollen Menschen, die ohnehin auf dem Zahnfleisch gehen, noch mehr bluten«, erklärte er gegenüber dieser Zeitung. »Dass sich Vertreter der Regierungsparteien am Wochenende gegen rechts auf die Straße trauen, obwohl sie den Rechten die Wähler von Montag bis Freitag in die Arme treiben, grenzt an Hohn.«

    Nach einem Bericht der Financial Times vom Freitag hat weltweit kein Rüstungskonzern so stark vom »Revival der europäischen Verteidigungspolitik« profitiert wie Rheinmetall. Die Düsseldorfer rechnen bis 2026 mit einer Verdoppelung des Umsatzes auf bis zu 14 Milliarden Euro.

    #Allemagne #guerre #austérité