En 1987 la guerre froide était terminée. Le chef d’état de la RDA Erich Honnecker visitait la RFA dans une ambiance si détendue que le musicien rock le plus populaire d’Allemagne Udo Lindenberg n’avait pas le moindre problème à passer les cordons de police pour remettre une guitare et un texte pacifiste au dignitaire en visite. Voici le récit de la rencontre par du chef de communication de l’événement.
Udo kommt nach Wuppertal
Größte Sicherheitsstufe. Unausdenkbar, dem Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokratischen Republik und Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, geschähe irgendein Leid, ausgerechnet während des nordrhein-westfälischen Teils seines offiziellen Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland. Der Langzeitbundeskanzler hatte nach Bonn eingeladen — Helmut Kohl. Der Langzeitministerpräsident, Johannes Rau, bestand schon in ersten blühenden Gerüchten und Planungen darauf: Honecker muss auch das größte Bundesland einen ganzen Tag lang besuchen. Wochen vorher: Sitzungen am laufenden Band. Abstimmung mit Protokollen, Sicherheit, allen Besuchspunkten. Sicherheit zuerst. Schutz vor Terroristen, Spinnern, Farbbeutelwerfern — nie zuvor wurde unsere Phantasie so durch oberste Polizeichefs in den dunklen Tunnel vielfältiger Albträume geschickt. Alles sollte bedacht, abgewogen, vorausgeahnt und sicher festgezurrt werden. Wirklich alles.
Zwei Wochen, bevor Erich Honecker nordrhein-westfälischen Boden betrat, reisten zwanzig Chefredakteure aller DDR-Zeitungen an. Wir sollten ihnen die Besuchspunkte des Herrn Staatsratvorsitzenden vorab zeigen. Erichs Showtruppe — als ob die schreiben würden oder es je taten; jeder weiß doch: Die Meldungen machen ADN-Redakteure, und die Berichte kommen original immer identisch in jede DDR-Zeitung, überall gleich zwischen Wismar und Zwickau. Ich war in der Staatskanzlei stellvertretend und ziemlich plötzlich Chef vom Dienst und für den Presseservice des Honi-Besuches zuständig. So düsten wir mit den vermeintlichen Spitzenjournalisten per Puma-Hubschrauber von Hoesch in Dortmund, wo der „Arbeiterführer" ein große Rede halten sollte, über das Engels-Haus in Wuppertal (muss sein) und die Villa Hügel in Essen (Treffen mit der Cröme großer Unternehmen an Rhein und Ruhr in Essen), dann zum Schloss Benrath, der Perle Düsseldorfs für Staatsgäste, feudalistisch vom Edelsten für den Chef des einzigen Arbeiter- und Bauerstaates auf deutschem Boden. Für BILD war es immer noch die „DDR" in Anführungszeichen für eine kurze Reihe wirklich engagierter Deutschlandpolitiker (Rau, Bahr, Schmude, Schäuble) war die Zeit reif, noch mehr für die Menschen in der DDR zu erreichen: durch direkte Gespräche mit der Staatsführung. Niemand wusste, was nur zwei Jahre später klar wurde: Die Wirtschaft der DDR stand einen Schritt vor dem Abgrund. Honecker kam nicht in Frieden, er kam aus blanker Not. D-Mark war der Stern, der ihn an den Rhein leitete.
Seine Delegation begleitete ihn seit Jahren — immer dieselben. Hemden aus New York, Schuhe aus Rom, Anzüge aus Paris. Fein sahen sie aus, die Herren, als wir nachmittags nach der Vorschau auf das Programm schließlich in den Rheinterrassen in Benrath mit wunderschönem Rheinblick letzte Details loswerden wollten. Die Herren zeigten gerade noch an der Grenze glatter Unhöflichkeit mäßiges Interesse an Hintergründen und Daten — auch der Flug an die Programmpunkte packte sie nicht wirklich. Pflicht, aber bitte hurtig. Da saßen sie nun bei Kaffee und Kuchen und fragten die Kellnerin, ob es hier auch Wodka gäbe, bitte drei Flaschen. Gerne, sagte die Bedienung — aber es dauert einen Moment. Später sagte sie mir: Natürlich haben wir hier keinen Wodka, wir sind ein familienfreundliches Cafö, und es ist früher Nachmittag. Schnell ging die Aushilfe zum Supermarkt — und kaufte eine Kiste finnischen Wodka. So kam dieser deutlich höher im Preis auf den Tisch und in ziemlich zügigen Schlücken reichlich in die Kehlen unserer Gäste. Sehr bald waren wir von der Westpresse nur noch im Nebel. So ließen wir die Herren in ihrem Suff; unser Fahrer mit dem Bus musste bleiben — noch weitere zwei Stunden.
Dann fuhr er die Herren in der frühen Abendstunde zum Schloss Mickeln, die Herberge für die wichtigsten unter ihnen, ein kleines Lustschloss in Rheinnähe, nun genutzt von der Düsseldorfer Heine: Universität, nahe einer Platanen-Allee und Obstgärten — idyllisch, einsam, stadtfern, leicht zu überwachen durch unsere Sicherheit.
Zwei Tage vor dem Honecker-Besuch in Nordrhein-Westfalen kamen zwei unscheinbare Redakteure von ADN, der DDR-Nachrichtenagentur, und installierten Telexgeräte in einem kleinen Besprechungsraum im Landeshaus am Rheinufer. Bescheidene Experten in grauen Anzügen und sehr gelben Hemden. Die Texte zu den einzelnen Scheiben des Honi-Programms waren rasch geschrieben — auf Knopfdruck gingen die Meldungen stückweise und zeitgenau per Knopfdruck an die Zentralredaktion in Ost-Berlin und von dort an alle Redaktionen der DDR-Zeitungen, ergänzt um Fotos. Exakt derselbe Aufguss in allen Blättern drüben.
Der 9. September 1987, ein Mittwoch. Der Tag. Harte, lange Vorbereitungen wurden nun — Geschichte. Jetzt musste alles klappen,
an diesem einen Tag. Die Pressebetreuung teilte ich der vielen Stationen des Programms wegen unter meinen Kollegen auf. Ich übernahm den Besuch des Engels-Hauses in Wuppertal und den Unternehmer-Empfang in der Villa Hügel in Essen.
10.25 Uhr Ankunft Staatsratsvorsitzender am Haus MP in Düsseldorf; Gästebuch, erstes Gespräch in kleinem Kreis mit Johannes Rau. Dann Empfang im Schloss Benrath, die Wichtigsten aus dem Land im feudalen Kuppelsaal, Die Stimmung: angespannt, angestrengt fröhlich. Ein schöner sonniger Septembertag. Dieselbe Sprache, Fremde im Dialog.
So gegen 12 Uhr fuhren Honecker und Rau direkt in die Straße am Engels-Haus. Polizei und Nichtuniformierte machten eine Gasse, und die letzten paar Meter zu Fuß zum Eingang. Wir hatten eine solide Holztribüne für 200 Fotoreporter drei Meter gegenüber dem Engels-Haus gebaut — mit dem ernst gemeinten Hinweis: Ihr bleibt alle nur auf dieser Tribüne. Keine Ausnahmen — wer sich nicht dran hält, wird von der Polizei unsanft abgedrängt und verliert die Akkreditierung für diesen Pool. Der Staatsgast und Rau, sie drehten sich auf Zuruf der Fotografen um nach den vier Stufen auf dem kleinen Trapezabsatz vor dem Eingang in das typisch bergische Haus, das Friedrich-Engels-Museum — tolles Licht, Hunderte Aufnahmen in wenigen Sekunden. Der Herr Staatsratsvorsitzender und der Ministerpräsident gingen in das Engels-Haus in die kleinen Zimmer, die schmale Treppe hoch. Ursula Kraus, die damalige Oberbürgermeisterin, erklärte sachkundig Räume, Bilder, Mobiliar. Der Hauch der Arbeitergeschichte wehte uns an — Honecker allerdings nicht: Selbst als Frau Kraus ihm einen alten Stich als Gastgeschenk überreichte, gab Honi diesen barsch und unverblümt eilig unbesehen an seinen Sicherheitsmann weiter.
Rau hatte genug; er flüsterte mir zu: Ich bin unten und warte am Eingang. Was ich nicht mitbekam, hörte ich wenig später: Rau trat vor die Tür und stand vor 200 erneut schußbereiten Fotografen. Dauert noch was, sagte Rau. Dann begann Rau die Journalisten zu unterhalten —Kennen Sie den? Witze am laufenden Band. Als Honecker mit seinem ziemlich irritierten Sicherheitshünen zu Rau auf das kleine Eingangspodest trat, ich direkt hinter ihm, war die Stimmung auf der
Pressetribüne blendend. Honi blieb neben Rau mit versteinertem Gesicht, er konnte sich keinen Reim auf diese Fröhlichkeit machen —manche Fotografen vergaßen fast, abzudrücken.
Dann geschah alles in wenigen Sekunden. Wir blickten nach links, Jubel brandete auf. Die dichten Zuschauerreihen, fünfzig Meter weg, gehalten von einer geschlossenen Reihe Polizisten und etlichen Sicherheitskräften in dunklen Anzügen mit deutlich dicken Innentaschen, öffneten eine Gasse wie von Zauberhand gelenkt wie einst das Meer dem Volke Israel zu beiden Seiten wich und heraus trat — Udo Lindenberg! Hut, weiße Jacke, schwarze Jeans, eine E-Gitarre im Arm. Das Original. Rau und Honecker waren schon unten auf der Straße und hatten keine Wahl: Die Sicherheitsleute, blass, entsetzt, ohne Plan, Adrenalin pur, schlugen einen Ring um die beiden Politiker, eng auch für mich wie im schlimmsten Ausverkauf. Uns Udo kam gemessenen Schrittes auf Honecker zu. Lassen sie ihn durch, befahl Rau den Stasi-Leuten. Honecker, eine einzige eisige Maske. Grußlos, aber breit grinsend, holte Udo einen 16seitigen Text aus seiner Innentasche (ich sah das Manuskript, eng getippt, später) — neben mir bekam ein DDR-Schützer fast einen Anfall. Als ob dieser Bruch aller Sicherheitsabsprachen nicht schon der Super-Gau gewesen wäre, brachen nun auch für die Fotografen alle Dämme: Das Foto war natürlich Honecker und Lindenberg. Also kamen sie alle, sprangen runter von der Tribüne (Sicherheitsstufe 1 mit Zusatz!) und machten unsere kleine Runde mit Udo noch intimer. Ein höllischer Aufruhr Fotoblitze, Auslösersymphonien von beachtlicher Lautstärke.
In all diesem Trubel wollte Lindenberg Herrn Honecker in aller Seelenruhe seinen ellenlangen Text vom Frieden und so vorlesen. Das müssen Sie verhindern, zischte ich Rau zu. Der hatte nun wieder eine normale Gesichtsfarbe, nahm uns Udo den Text einfach aus der Hand, das aber mit einem gewinnenden Lächeln nur für Udo bestimmt, reichte diesen dem DDR-Schützer (der schon den Stich hatte) und beschwichtigte Udo erfolgreich: Ich verspreche Ihnen, dass der Herr Staatsratvorsitzender Ihren Text zum Lesen bekommt. Die E-Gitarre von Lindenberg Honi angereicht als Friedensgeschenk, so das genuschelte Überreichungswort, faßte Honecker sichtlich angeekelt nicht an — klar: Der Sicherheitsbeamte musste sie nehmen, nun sichtbar mit Zorn im roten Gesicht.
Rau zu Udo: Wir müssen nun weiter, Sie verstehen. Nun schoben die Polizisten Udo sanft vor uns her — und weg war der Panikfriedensfürst. Sein Manager wartete mit dem Taxi am Straßenrand. Mit dem hatte ich später ein denkwürdiges Telefonat..., unser letzter direkter Kontakt.
Wir in die Autos. Wenige hundert Meter zum Hubschrauberlandeplatz —ein ehemaliges, jetzt plattes Fabrikgelände mit gewalztem festem Sandboden, extra präpariert für diesen Staatsgast und diesen Moment —aus Sicherheitsgründen so nah. Wie konnte der Udo-Gau geschehen? Der eigentliche Hintergrund war klar: Udo Lindenberg wollte Honecker schon in Bonn Text und Gitarre überreichen. Kohl lehnte angewidert ab. Rau konnten wir überzeugen: Etwas Liberalität schmückt unser Bundesland. Mit Honeckers Chefberater Stechow und der DDR-Sicherheit war Einvernehmen erzielt: Das geht klar, schöne Fotos, aber nur kurz beim Einstieg in die Hubschrauber auf dem Fabrikgelände in Wuppertal, ein kleiner Pool von Fotografen. Manager von Udo und der große Paniker wurden so eingewiesen und stimmten, was auch sonst, Was stattdessen Udo anrichtete, siehe oben. Er sagte mir viel später, sie seien einfach zu früh auf dem Landeplatz angekommen, noch keine Fotografen da. Da habe er einfach die Polizisten gefragt, wo denn Rau und Honecker in diesem Moment seien.
Nie zuvor bei einem Staatsbesuch sind alle Einzelheiten und Abläufe sowohl mit der Polizei als auch mit der Presse so genau festgelegt und abgesprochen worden wie an diesem schönen Septembertag in Wuppertal. Trotzdem wichen Polizeikette und Zivile so servil vor Udo kurz vor dem Engels-Haus völlig bedenkenlos zurück und ließen ihn gegen alle Anweisung einfach mal so durch, als hätte er einen bezahlten Chip in den Schlitz vor einer Parkhausschranke geworfen. Unglaublich, aber wir haben es erlebt. Polizeiintern führte das zu Untersuchungen. Rau hat wohl Einfluss auf den Polizeichef in Wuppertal genommen —niedriger hängen, ist ja nichts passiert. Ein paar Stunden später konnte auch Honecker drüber lachen — erst dann auch seine Begleiter.
Ich hatte als Pressemann Platz im Ersatzhubschrauber—ein Puma des Bundesgrenzschutzes, heute Bundespolizei, falls der Honecker-Hell technische Probleme bekäme. Zur Sicherheit, ein schillernder Begriff für mich seit ein paar Minuten. Bevor der Puma seine Motoren anließ und der Höllenlärm nur durch Kopfhörer als Ohrenschutz zu ertragen sein würde, sah ich — welch ein Zufall — den schwer bepackten Sicherheitsbeamten der Stasi neben mir übel gelaunt in den Sessel fallen, die E-Gitarre zwischen seinen Beinen, das Bild aus dem Engels-Haus auf dem Sitz neben sich (unangeschnallt). Auf der teuren spanischen weißen E-Gitarre las ich nun in primitiven schwarzen Klebebuchstaben geschrieben: „Gitarren statt Knarren." Udos Credo. Ich fragte meinen Sitznachbarn: Was machen Sie denn nun mit dieser Gitarre? Der sah abschätzig und genervt auf mein Delegationenschild und antwortete denn doch im reinsten Sächsisch: „Gommt alles in’n Giftschrank, do is ooch schon ne Läderjacke drin."
Honis Geschenke-Laden Unter den Linden — nach der Einheit war es eine Ausstellung wert; darunter auch Udo Lindenbergs Lederjacke und seine wertvolle Friedensgitarre und der große Rest von Edlem und Staatskitsch. Udos Text durfte ich im Flug lesen; er tauchte mit der Gitarre in der Ausstellung in Berlin als „MfS-Nachlass" wieder auf; gut gemeint, verworren in Logik und Sprache. So also kamen wir in Nordrhein-Westfalen fast zu einem diplomatischen Schlaganfall und im schlimmsten leicht vorstellbaren Fall zu weit mehr (falls sich nur ein Sicherheitsmensch, von welcher Seite auch immer, nicht kontrolliert hätte). So kamen wir noch mal mit dem Schrecken davon.
Und Udo kam nach Wuppertal,. axel raulfs 2009